Den Namern Walter Borgius wird man in den üblichen Geschichtsschreibung des Esperanto kaum finden. Schliesslich ist er ein Renegat, ein Verräter, der zu der schmutzigen Konkurrenz (IDO) übergelaufen ist. Mehr noch: In seiner Broschüre »Warum ich Esperanto verliess« kritisiert er die sprachliche Substanz ebenso, wie den »Meisterkult« und den Konservativismus der Esperanto-Bewegung seiner Zeit.
Auf dem Titelblatt seines Buches gibt er an, dass er der »bisherige Vizepräsident der Ortsgruppe Berlin der Deutschen Esperanto-Gesellschaft« sei. Da er sich auf den III. (heute wird er als vierter geführt) Esperanto-Kongress in Dresden vom 15. bis 22. Augsut 1908 bezieht, muss er sein Amt im Herbst 1908 niedergelegt haben. Zusammen mit vier weiteren, aber namentlich nicht genannten, Mitgliedern des Vorstands.
Aus heutiger Sicht vermag man eher beurteilen können, ob seine Vorschläge etwas gebracht hätten. Allerdings ist man von der Annahme einer Plansprache durch eine internationale Kommission heute weiter entfernt zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Seine Ausführungen sind vor allem deswegen von Interesse, weil der die Frühphase des Esperanto, etwas anders darstellt als die überwiegend hagiographische Geschichtsschreibung der Esperanto-Welt. Man kann annehmen, dass er nicht aus zeitlicher Distanz berichtete, sondern frisch im Gedächnis und entsprechende Dokumente zur Hand hatte.
Er versucht zu ergründen, warum sich die Esperantisten derart »reformunwillig« aufführten und durch ihre Sturheit letzlich die Annahme eine Weltsprache verzockt haben. Später wurde der »Verräter« Beaufront aufgebaut und von zahllosen »Historikern« kolportiert.
Es folgte eine Flut von Literatur zur Rechtfertigung der Rechtgläubigkeit.
Einge geradezu hymnische Verehrung der »Perfektion« des Meisterwerks, Geniestreich.
Anscheinend war Zamenhof, der ein bescheidener und zurückhaltender Charakter geschildet wird, sehr stark von (französischen) Gönnern abhängig. Immerhin hatten diese einen Vertrag mit dem Verlag Hachette ausgehandelt, der Zamenhof eine gewisse finanzielle Unabhängikeit garantierte. Allerdings bedeutete das auch eine Exklusiv-Recht dieses Verlags für die Schriften von Zamenhof.
Borgius vermutet, dass der Widerstand gegen Reformen auch durch dieses kommerzielle Interesse motiviert war, das die bis dahin gedruckte Auflage nach einer Reform der Sprache zu Makulatur würde.
Die meiste Zeit lebte Borgius in Groß-Lichterfelde bei Berlin in der Lorenzstr. 65. Als Geschäftsführer des »Handelsvertragsvereins« hatte er ein Büro in Mitte, in dem auch zumindest eine Sitzung des »Bundes für Mutterschutz« stattfand.
Schon seit seiner Studentenzeit war er mit bedeutenden Intellektuellen vernetzt und durch die Mitarbeit in Organisationen (Bund für Mutterschutz, Bund Neues Vaterland) persönlich bekannt. Bei einigen kann man eine Sympathie für Esperanto oder das Konzept einer »Welthilfssprache« feststellen.
Wikipedia nennt als Mitglieder des Bund Neues Vaterland (nachgewiesen bei anderen nicht erforscht)
- Friedrich Simon Archenhold, Walther Borgius, Elsbeth Bruck, Minna Cauer, Hans Delbrück, Albert Einstein, Kurt Eisner, Friedrich Wilhelm Foerster, Alfred Hermann Fried, Hellmut von Gerlach, Rudolf Goldscheid, Paul Guttfeld, Arthur Holitscher, Harry Graf Kessler, Otto Lehmann-Rußbüldt, Ernst Meyer, Georg Friedrich Nicolai, Paul Oestreich, Hans Paasche, Ludwig Quidde, Heinrich Rausch von Traubenberg, Ernst Reuter, Helene Stöcker, Leopold von Wiese, Clara Zetkin und Stefan Zweig.
So hat einer der Gründr des Bundes Georg Graf von Arco in der Mitte der 1920er Jahre die Versuche zur Einführung von Esperanto im Rundfunk interessiert verfolgt und unterstützt. Er war Geschäftsführer von Telefunken massgeblich an der Entwicklung der Sendetechnik beteiligt.