der esperantist

Ganz ohne Zweifel gehört die Zeitschrift »der esperantist« zu Berlin wie der Fernsehturm oder das Brandenburger Tor. Sie ist Teil der Lokalgeschichte der Esperanto-Bewegung, den die Redaktion befand sich von der ersten (1965) bist zur letzten (1990) Ausgabe in Berlin. Viele Berliner und Brandenburger haben in der Redaktion oder als Autoren mitgewirkt.

Die Redaktion lag die ganzen Jahre in den Händen von Detlev Blanke, der gleichzeitig Leiter der Esperanto-Abteilung im Kulturbund war. Erst in der letzten Ausgabe 1/1990, nachdem die Grenze geöffnet war, deutete sich so etwas wie Selbstkritik an. All die Jahre hatte »der esperantist« die Politik der DDR und der Sowjetunion de genauso tapfer verteidigt, wie alle Medien in der DDR.

Diese 100-%ige Linientreue war sicher eine Nachwirkung der Erfahrungen nach dem 2. Weltkrieg. In der sowejetisch besetzten Zone (SBZ) wurde Esperanto zunächst verboten. Das konnten die alten Arbeiter-Esperantisten aus den 1920er Jahren und Widerstandskämpfer überhaupt nicht verstehen. Sie hatten sich nach dem Sieg über die Faschisten, die die “Judensprache” verboten hatten, einen neuen Aufschwung im Sinne des Kommunistischen Internationale erhofft.

Der Schweizer cand. phil, Andreas Künzli, der sich als Historiker bezeichnet (Zamenhof-Biografie, Schweizer Enzyklopädie) hat eine 78-seitige Analyse der Zeitschrift veröfftlicht, die einen vielsagenden Titel trägt:

Der Wahrheit nicht ganz verpflichtet

Esperanto in der DDR: Ein Hauch von Stalinismus und ein
skandalöses Spielchen mit dem Feuer des Kalten Krieges

Wie die Esperanto-Bewegung im Osten Deutschlands politisiert wurde – oder: Esperantisten im Dienst eines staatskriminellen totalitären politischen Regimes stalinistischer Prägung, das die Menschenrechte im grossen Stil absichtlich mit Füssen trat

Zur ideologisch-politischen Redaktionspolitik am Beispiel der DDR-Zeitschrift der esperantist 1965-1989

Man muß dem Autor nicht bei allen seinen dezidiert ideologisch motivierten Ausführungen folgen, denn er bietet ein Menge Daten und Fakten, die man derart konzentriert nirgendwo anders findet.

Leider liegt das ganze Material nur als PDF vor und ist noch nicht in neuzeitliche Informationssysteme, wie Wikipedia, eingeflossen.

Künzli zitiert Auszüge aus Ausgaben von 1990, die nicht in der DVD enthalten sind und daher auch noch nicht online zur Verfügung stehen.

Seit Jahren hat Künzli einen Einfluss des MfS (Stasi) auf die Esperanto-Bewegung vermutet und beklagt, daß sich in Berlin niemand dafür interessiere.

Detlev Blanke war IM Ulo

In zwei Beiträgen von 2018 hat er detailliert dargestellt, was jeder, der näher am Ort des Geschehens war, ohnehin wusste: Die Führungskader gesellschaftlicher Organisationen, vor allen Dingen mit Auslands- und Westkontakten waren nicht nur zu Berichten an die Staatssicherheit verpflichtet, sondern sie taten da auch gerne und aus innerer Überzeugung.

Viele Westdeutsche nutzen die erleichterte Einreise zur Leipziger Messe und besuchten das »Messetreffen« der Esperatisten. Der zuständige Stasi-Mitarbeiter (hauptamtlicher) liess sich eine Liste der Teilnehmer geben und fragte ein wenig nach “systemkritischen” Aüßerungen. Es war auch jedem klar, dass sich informelle Mitarbeiter (IM) unter den Esperantisten befanden, die spitze Ohren hatten. Künzli bestätigt das und gibt insofern Entwarnung, als diese sich möglichst unauffällig verhalten sollten und sich nicht in Leitungsfunktionen drängen sollten Damit scheiden die bekannten Namen aus und die Namen der unauffälligen Spitzel wird man nie erfahren.

Künzli kann auch nicht nachweisen, daß durch die Bespitzelung einem Esperanstien in der DDR ein Schaden entstanden wäre. Niemand bekam Ausreiseverbot, wurde verhört oder ins Gefängnis geworfen. Die Esperanto-Bewegung demonstrierte ihre Harmlosigkeit, bzw. ihr Wirken im Einklang mit den Prinzipien der sozialistischen Staatengemeinschaft. Aber genau das wurmt Künzli: Er hätte lieber Märtyrer, die wegen ihres Kampfs für die Freiheit gelitten haben.

Die beiten Analysen sind:

http://www.plansprachen.ch/Esperanto_Stasi.pdf

Der einzige, dem er konkret etwas anhängen kann ist ausgerechnet Detlev Blanke. Er hatte als Junglehrer in Dorf Mecklenburg  eine Verpflichtugserklärung unterschrieben.