Kulturkolonien, Kliemke, 1910

Der Berliner Jurist Dr. Erich Kliemke hat am 8. Mai 1910 einen Beitrag über Esperanto der Nummer 17 der Zeitschrift „Kolonie und Heimat“ veröffentlicht. Diese Zeitschrift war seit 1907 das Organ des „Frauenbunds der Deutschen Kolonialgesellschaft“ und sollte als Illustrierte im Stil der „Gartenlaube“ oder anderer populärer „Damenzeitschriften“ junge deutsche Frauen motivieren in den Kolonien eine Familie zu gründen. Sie erschien bis 1911 mit der Titelerweiterung „…in Wort und Bild“.

Dr. Kliemke konnte eine Kompetenz in Kolonialfragen nicht abgesprochen werden. Er wurde als »Direktor der Ostafrikanischen Eisenbahngesellschaft« eingeführt. Diese hatte zwar ihren Sitz in Berlin-Mitte, aber Kliemke hatte die Kolonie Deutsch-Ostafrika, das heutige Tansania, auf Dienstreisen besucht. Unter anderem war er persönlich dabei als während eines Inspektionsreise des neuen Kolonialsekretärs Dernburg die Verlängerung der Eisenbahn von Daressalam nach Morogoro feierlich und in Anwesenheit der Presse eingeweiht wurde. Die wohlgesetzten Worte von Dr. Kliemke wurden in Deutschland als treffende Argumentation für den Weiterbau der Strecke  weiter nach Osten betrachtet. Dafür wurden auf 99 Jahre laufende Kredite bewilligt. Von Dr. Kliemke gibt es einen Bericht über die Verlängerung bis Tabora in der Zeitschrift “Kosmos” mit vielen Details zur Strecke und den Problemen beim Bau.

Der Schienenweg vom Indischen Ozean zu den  Zentralafrikanischen Seen sollte als  Ost-West-Verbindung den Anschluss an den Kongo (belgische Kolonie) schaffen. Zudem wäre ein Kreuzungspunkt zu der Nord-Süd-Verbindung von Kairo bis Kapstadt entstanden, die bereits teilweise in Betrieb war. Der Beginn des Ersten Weltkriege im Augsut 1914 setzte dem ein Ende und Ostafrika wurde zum Kriegsschauplatz. Gut zwei Jahre konnte sich die deutsche Kolonie halten und wurde mit Nachschub versorgt. Sogar mit einem Luftschiff wurde es, allerdings erfolglos, versucht.

Dr. Kliemke versuchte in den ersten Kriegsmonaten seine Expertise einzubringen. Er hatte erkannt, dass  der Krieg nicht langfristig durchzuhalten sei, weil man in der Erwartung eines schnellen Sieges gehofft hatte, die Ressourcen der besetzten Länder nutzen zu könnten. Stattdessen kam es zu hektischen Sparmassnahmen um kriegswichtige Rohstoffe zu bekommen (Einschmelzen von Kirchenglocken) und zu einer überbordenden Bürokratie zur Verwaltung des Mangels. Kliemke verfasste unter dem Pseudony Heinrich Nienkamp eine Schrift mit dem Titel: »Die Reichsaktiengesellschaft. Ein Vorschlag zur Organisation der Friedenswirtschaft im Kriege.« (Berlin Vita Deutsches Verlagshaus. 1915, 46 S. 8°. Orig. Kartoniert mit Deckeltitel. Konkrete Vorschläge zur Sicherung der Kriegs- und Volkswirtschaft durch die Gründung einer Reichsaktiengesellschaft).

Noch vor Beginn des Krieges hatte Kliemke ein wesentlich umfangricheres Werk fertiggestellt, später das als »Fürsten ohne Krone« eine ziemliche Popularität erreichte. Die Zeit schien Mitte 1914 nicht günstig zu sein und so wurde es erst 1916 veröffentlicht.

Es hieß im Untertitel »fast ein Roman« weil sich die Geschichte aus erfundenen Zeitungssausschnitten und Pressemitteilungen entwickelt. Ein amerikanischer Millionär verwendet das ererbte Vermögen zur Gründung einer »Kulturorganisation« als Teil eines Plans, » wie man die Gesellschaft organisieren, verändern und entwickeln kann, damit die Welt dauerhaft friedlich bleibt.«

In den Text eingestreut sind Verweise auf Esperanto, wenn ein stockkatholischer Kommentator eine solche Sprache als »Werk des Teufels«, weil unbiblisch, bezeichnet und ein anderer christlicher Kommentar auf das »Pfingstwunder« verweist. Antisemiten verweisen auf den jüdischen Hintergrund von Zamenhof, was wieder von anderen zurückgewiesen wird.

Hermann Oberth fand in seinem Buch »Wege zur Raumschiffahrt« lobende Worte. Dessen Buch war 1929 im Münchener Oldenbourg-Verlag veröffentlicht worden und galt lange Zeit als Standardwerk der Raketentechnik. Auf Seite 398 schreibt er, dass er den Nienkampschen Freybund für »das bedeutsamste hält, was Menschen bisher erdacht haben«.

Charlottenstraße 82.

Kliemke lässt den Millionär Fry (der natürliche deutsche Vorfahren hat) ein Unternehmen namens  “LIGILO” gründen, das die kommerziellen Aktivitäten der »Kulturorganisation« abdeckt und Kliemke nennt später seinen Verlag LIGILO” (Sitz in Berlin SW 68 Charlottenstraße 82) Dieses Haus existiert heute noch und steht unter Denkmalschutz. Es wurde 1914 nach einem Entwurf von Paul Mebes für die Iduna-Versicherung gebaut.

Das Buch führte in der Nachkriegszeit zur Gründung einer Organisation, die sich über ganz Deutschland ausgebreitet hat.

Dr. Ernst Kliemke in Berlin