Memorandum Metzger

Das Manifest

Deutschland ist ein Bund von demokratisch geführten Freistaaten. Jeder Freistaat ist im Rahmen der deutschen Verfassung selbständig in Bezug auf Innenpolitik, kulturelle, soziale Angelegenheiten und Verwaltung. Die Außenpolitik ist gemeinsam und der Führung des Staatenbundes vorbehalten. Die Politik Deutschlands ist nach innen und außen verfassungsmäßig festgelegt als eine redliche Friedenspolitik auf der Grundlage sittlicher Wahrheit und Treue sowie sozialer Gerechtigkeit.

Die Friedenspolitik nach innen gründet auf der Achtung des ewigen Sittengesetzes, auf der Anerkennung und Wahrung des gleichen Grundrechtes für alle Bürger, einer fortschrittlichen Sozialpolitik (Sicherung von Arbeit, Verdienst und Lebensmöglichkeit für alle, Nationalisierung aller Bergwerke, Kraftwerke, Eisenbahnen, sowie des Großgrundbesitzes an Feld, Wald und Seen, soziale Steuerpolitik unter Schonung der Schwachen) und einer gerechten Nationalitäten- und Rassenpolitik (Selbstverwaltung der nationalen Kurien zB in Bezug auf die öffentlichen Mittel für Schulzwecke).

Die Friedenspolitik nach außen anerkennt und achtet in vollstem Umfang die Lebensrechte fremder Völker und vertritt bzw. verwirklicht freiwillig eine Abrüstung (bis auf eine Polizeitruppe zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung) zu Gunsten einer überstaatlichen Wehrmacht, die im Dienst eines unparteiischen Organs der “Vereinigten Staaten von Europa” einen gerechten Frieden unter den Staaten zu schützen übernimmt.

Verfassungsmäßig ist jedem Deutschen die Unantastbarkeit der persönlichen Würde und Rechtssicherheit, die Freiheit des Gewissens, der Sprache und Kultur sowie der Religionsausübung, die Freiheit der Meinungsäußerung und schließlich die Freiheit des persönlichen Eigentums und Eigentumsgebrauches innerhalb der durch das Gemeinwohl bestimmten und rechtlich festgelegten Grenzen gewährleistet.

Alle Deutschen, die an dem nationalen Unglück und der Vergewaltigung ihres Volkes nachweisbar mit Schuld tragen, bleiben, ebenso wie alle wegen gemeinsamer Verbrechen Verurteilten, für 20 Jahre von allen bürgerlichen Ehrenrechten (Wahlrecht, Recht auf Bekleidung öffentlicher Ämter) ausgeschlossen. Bis zur allfälligen Feststellung bzw. Bewährung ihrer charakterlichen und verfassungsmäßigen Zuverlässigkeit wird diese Mitschuld vorausgesetzt bei allen Funktionären der SA und SS. Die darüber geführte Volksliste ist öffentlich. Die gesetzgebende Gewalt Deutschlands steht bis zur Festlegung der endgültigen Verfassung aufgrund allgemeiner freier Volkswahlen beim deutschen Volkstag. Dieser besteht aus führenden Vertretern aller Stände, sowie hervorragenden Persönlichkeiten aus allen Staatsgruppen und ehemaligen Parteien, die sich in der Vertretung der sittlichen, sozialen und politischen Grundsätze der neuen Friedenspolitik vor ihrem Volk und der Welt bewährt haben, insbesondere auch dadurch, daß sie für ihre Überzeugung und Haltung vonseiten des vergangenen Systems persönlich Nachteile zu tragen hatten.

Dieses politische Programm ist aufgestellt für den Fall, daß mit dem Kriegsende eine Revolution ausbricht, durch die die Kontinuität des Rechtes nicht mehr aufrechtzuerhalten ist.

Abschrift aus den Akten des Deutschen Bundesarchivs in Berlin, BArch NJ 13512. Das von Dr. Max Josef Metzger im Jahre 1943 verfasste Memorandum – gelegentlich auch als Demokratisches Manifest bzw. Manifest für ein neues Deutschland bezeichnet, führte ihn durch Verrat einer Geheimdienst-Agentin zur Verurteilung durch den “Volksgerichtshof” und zur Hinrichtung durch das Fallbeil.

Wolfurt, 16.02.2007

Zur Entstehung des Textes sagte Karl Kardinal Lehman ((1983-2016 Bischof von Mainz ) in einem Vortrag bei der Stiftung Topographie des Terrors und der Gedenkstätte Deutscher Widerstand am 16.12.2015 in Berlin mit dem Titel:

Häftling im „Hausgefängnis” der Gestapo-Zentrale
Der katholische Theologe und Pazifist Dr. Max Josef Metzger

Quelle: kardinal-lehmann.bistummainz

Grund für die Verhaftung war ein geheimes Memorandum mit genaueren Vorschlägen zur Neuordnung Deutschlands auf der Grundlage des christlichen Sittengesetzes nach der unvermeidlichen Niederlage Deutschlands. Davon war er allmählich selbst überzeugt. Bruder Paulus, so wurde er auch in der Gemeinschaft genannt, machte sich immer mehr Sorgen um die Zukunft Deutschlands: Was wird nachher werden? Er fertigte darüber ein knappes Memorandum, das er dem in der Ökumene sehr angesehenen schwedischen Erzbischof Erling Eidem von Uppsala schicken wollte, um diese Gedanken in eine Friedensvermittlung nach einem verlorenen Krieg hineinzugeben. Dabei spricht er auch von einem Frieden „im Dienst eines unparteiischen Organs der ‚Vereinigten Staaten von Europa‘.” Metzger hat dieses Dokument selbst und allein angefertigt, auch wenn er mit dem Solf-Kreis Beziehungen hatte (vgl. den Kreisauer Kreis mit Helmut James von Moltke, zu dem Pater Delp SJ gehörte).

Dieses Memorandum übergab Metzger einer deutschen Frau mit schwedischer Abstammung, Dagmar Imgart, die seit mehreren Jahren in der ökumenischen Bewegung war und auch an dem Treffen des Solf-Kreises teilnahm. Sie besaß das Vertrauen von Metzger. Dies war ein verhängnisvoller Irrtum, denn diese Frau war, wie sich später herausstellte, eine Gestapo-Agentin. Sie hat Metzger zwei Jahre lang und wieder am 29. Juni 1943 besucht. Ihr hat er das Memorandum übergeben. Wenig später wird Metzger verhaftet und zum Gefängnis in die Prinz-Albrecht-Straße, in das „Hausgefängnis” der Gestapo-Zentrale gebracht. Am 11. September 1943 wird Metzger zur Untersuchungshaft in die Strafanstalt Plötzensee verlegt. Die juristische Behandlung des Falles Dagmar Imgart braucht hier nicht weiter verfolgt zu werden.

Metzger konnte nicht glauben, dass man seinen Text (vgl. Christuszeuge, 107f.) und seine ganze Haltung ihm zum Vorwurf machen könne. Da er auch vor Gericht sehr unbefangen und offen war, konnte vieles gegen ihn und leider auch gegen Mitglieder des Solf-Kreises, zum Beispiel Dr. Richard Kuenzer, verwendet werden. Der Anwalt von Metzger, Dr. Dix, rechnete schon auf Grund der Aktenlage mit der Todesstrafe.

Schon während des Ersten Weltkriegs hatte Max Josef Metzger ähnliche Gedanken formuliert, die er 1917 in der Broschüre »Rassenhaß oder Völkerfriede«” veröffentlicht hatte. Quelle. max-josef-metzger-meitingen.de

  • …Das einzige Friedensprogramm, das der Welt den Frieden geben kann, ist das christliche. Aus dem Geiste dessen geboren, der mit Recht sagen könnte:”Den die Welt nicht geben kann, den Frieden gebe ich euch!”
  • …Dieses Programm, das der Welt mit Christi Segen den Frieden wieder schenken und verbürgen kann, es ist in kurzen Sätzen das folgende:

1. Wir fordern das Ende des nutzlosen Blutvergießens auf den Schlachtfeldern, zugleich aber damit das Ende einer Politik, die mit Machtmitteln die sittlichen Probleme des Zusammenlebens der Völker zu überwinden sucht und dabei immer aufs neue Kriege heraufbeschwört.

2. Wir fordern den dauerhaften Weltfrieden, an den wir glauben, im Namen der Zivilisation, der Kultur, der Sittlichkeit und Religion.

3. Wir fordern als Anfang des Friedens die Ablenkung des Interesses aller Völker von dem vermeintlichen äußeren Feind und der Konzentration aller Kräfte gegenüber dem tatsächlichen inneren Feind, der allen Völkern gemeinsam ist: Alkoholismus (..), Unsittlichkeit, Tuberkulose (..), Degeneration, Geld- und Bodenwucher, Pauperismus (Massenarmut), Unterernährung usw.

4. Wir fordern das Aufgeben des sinnlosen Wettrüstens der Völker zu Wasser und zu Land und die Konzentrierung ihrer Mittel auf die positiven Kulturaufgaben.

5. Wir fordern als Voraussetzung für diese Neuorientierung der Politik die Aufnahme der Forderung in das Programm aller friedliebenden Länder, daß Kredite für Rüstungen nur in dem Maß bewilligt werden, als diese zur Sicherung der Ordnung im eigenen Land erforderlich sind und nur in einem für alle Länder gleichen Prozentsatz der Kredite für Kulturzwecke der betreffenden Länder.

6. Wir fordern ein Handinhandgehen aller Regierungen und Parlamente zur ehrlichen friedlichen Verständigung über die gegenseitigen Forderungen der Gerechtigkeit und den unbedingten Willen aller Regierungen und Parlamente, beim nächsten Volk das als recht anzuerkennen, was man für sich selbst als billig ansieht.

7. Wir fordern von unseren Regierungen und Parlamenten die ehrliche Unterstützung aller Bestrebungen, die auf die Schaffung eines dauerhaften Weltfriedens, eines Weltkulturbundes, gerichtet sind, nicht nur der kleinen äußeren Mittel der völkerrechtlichen Verständigung, sondern vor allem der Überwindung des kriegsverursachenden Geistes der Selbstsucht und Ungerechtigkeit im Leben der Einzelnen und der Völker im Großen.

8. Wir fordern das Aufgeben des Rassenkampfes und aller Vergewaltigungsbestrebungen eines Volksteiles gegenüber dem anderen und die Anerkennung des Rechtes für jedes Volk, kraft dessen es seine eigene Sprache und Kultur innerhalb des Staatsganzen besitzen und entfalten darf.

9. Wir fordern die Überwindung des Klassenkampfes, der mit dem Geist der nackten Machtpolitik im Leben des einzelnen Volkes auch den Geist der Machtpolitik im Völkerleben, damit den Geist des Weltkrieges heraufbeschwört, durch den Geist des sozialen Ausgleiches, des Willens zur sozialen Gerechtigkeit und der versöhnenden christlichen Nächstenliebe.

10. Wir fordern die Neuorientierung der Erziehung der heranwachsenden Jugend unter Vermeidung allen Chauvinismus (übertriebener Nationalismus), aller Nährung kriegerischen Geistes, unter Weckung des sozialen Pflichtgefühles, der Wahrhaftigkeit, Ehrlichkeit, Selbstlosigkeit, Gerechtigkeit, Nächstenliebe, Hilfsbereitschaft, sozialen Verantwortlichkeit.

11. Wir fordern das Aufgeben des Macchiavellismus (bedenkenlose Machtpolitik) in der Politik und seine Ersetzung durch die Grundsätze des Christentums auch im öffentlichen Leben als der einzigen Grundlage für dauernde Verständigung und friedliches Nebeneinanderleben der Völker.

12. Wir fordern die Rückkehr aller Völker und Staaten und aller ihrer einzelnen Glieder zu einem praktischen Christentum, unbedingte und rückhaltslose Anerkennung und Durchführung des göttlichen Sittengesetzes und seiner Forderungen der Gerechtigkeit und Nächstenliebe, und sehen die Gewähr des Erfolges aller Friedensbemühungen, die unversiegbare Kraftquelle des Friedensgeistes, in der geistigen und wirklichen Kommunion aller Völker und ihrer Glieder mit dem Friedenskönig


“Christus, gestern und heute und in alle Ewigkeit”.
Dieses Friedensprogramm schickte Dr. Metzger an Papst Benedikt XV., der ihm mit Datum vom 27.06.1917 folgende Antwort zukommen liess:

Der Papst als irdischer Stellvertreter des Friedenskönigs segnet ihr glühendes Verlangen nach der Wiederherstellung des Friedens zwischen den Völkern und wünscht sehnlich, daß die vollkommenste Erfüllung der vom göttlichen Meister gepredigten Grundsätze der Gerechtigkeit und Liebe, im Leben der einzelnen wie der ganzen Gesellschaft, für immer von den Völkern die Schrecken des Krieges entfernt.

Cardinal Gasparri

Am 15.09.1919 schrieb Cardinal Gasparri nochmals an Dr. Metzger:

Wie ich Euer Hochwürden bereits mit meinem Brief vom 27.Juni 1917 zum Ausdruck brachte, freut sich der Heilige Vater zu sehen, dass die Katholiken unter der Führung des Klerus dahin arbeiten wollen, entsprechend der Lehre des Evangeliums, die Wiederversöhnung und Friedenserziehung der Völker in der Liebe Christi zu fördern, und hofft, dass sie im Namen des göttlichen Meisters mit Erfolg den Hass und die Feindschaft abbauen werden, die heute einen so großen Teil der Menschheit entzweit halten.