Der Berliner Esperantist Ernst Kliemke hat 1910 beim Kolonialkongress in Berlin (6. – 8. Oktober) zum Thema Esperanto als Verständigungssprache in der Kolonie Ostafrika das Wort ergriffen. Er reagierte auf den Vortrag von Prof. Carl Meinhof (Hamburg), dem dieser Vorschlag schon bei Ankündigung seines Themas mehrfach in Briefen unterbreitet worden war.
Kliemke war als Direktor der “Ostafrikanischen Eisenbahn” auf Geschäftsreisen selbst in Ostafrika, wo 2024 in Arussx der Esperanto-Weltkongress stattfindet. Er begleitete auch den 1907 Bernhard Dernburg, der nach seiner Ernennung als Staatssekretär der zum Reichskolonialamt erhobenen Kolonialabteilung eine Reform der deutschen Kolonialpolitik eingeleitet hat. Kliemke hat ihm in Morogoro davon überzeugen können, daß eine Verlängerung der Bahn bis zum Tanganjikasee in öffentlichem Interesse war.
Nachdem Kliemke seinen Posten als Folge des Ersten Weltkriegs nicht mehr ausüben konnte, wurder als sozialkritischer Schriftsteller (Fürsten ohne Krone) bekannt und 1927 zum Vorsitzenden des Deutschen Esperanto-Bundes gewählt. In seinen letzten Lebensjahren sympathisierte er mit der Bahaii-Religion, die in vielem seiner eigenen Weltanschauung nahekam.
Sein Redebeitrag ist in der Dokumentation des Kongresses (Seite 743) enthalten:
- Es handelt sich hier um ein Problem , das erst in Generationen gelöst werden kann, und in dieser Zeit kann die Entwickelung manches gebracht haben, was heute unmöglich erscheint. Hätte man vor 20 Jahren, so wie vorgestern hier aufdem Kongresse, von der Möglichkeit gesprochen, den Kilimandscharo mit dem lenkbaren Luftschiff zu erreichen, so hätte man laut gelacht, genau wie vorhin , als das Esperanto als mögliche Verkehrssprache erwähnt wurde; man kennt es nicht, aber man missbilligt es. Wenn in deutschen Kolonien unter deutscher Regierung sich die englischeSprache oder Pigeon-Englisch einwurzelt, so ist das ein Zeichen von vielen, die mindestens für die Prüfung der Frage einer neutralen Hilfssprache, eines künstlichen Verständigungsmittels, sprechen. Wir dürfen nicht dulden, dass die Sprache einer fremden Macht in unseren Gebieten die herrschende werde, und eine der Eingeborenensprachen für alle Kolonien zur Einheitssprache zu machen, ist nicht möglich. So kommen wir aus der Vielsprachigkeit nicht heraus. Es ist da nicht anders als in Europa. Beim Esperanto handelt es sich nicht um eine Sprache, die an Stelle der nationalen Sprachen treten soll, sondern neben sie als ein einfaches, für alle gleiches Verständigungsmittel, so wie Suaheli in Ostafrika neben die dort gesprochenen europäischen, asiatischen und afrikanischen Sprachen getreten ist. Suaheli ist auch künstlich erweitert worden, um dem jetzigen Kulturzustande entsprechen zu können, beim Esperanto ist nur systematisch gemacht worden, was dort zufällig entstanden ist. Vorläufig ist natürlich nicht daran zu denken, Esperanto in den Kolonien zur Verkehrssprache zu machen, es ist aber nicht ausgeschlossen , dass es einmal dazu kommt, nachdem man erst in Europa vorangegangen und die grossen wirtschaftlichen und kulturellen Vorteile einer internationalen Verkehrssprache erkannt haben wird.