Sproeck 1932 über Abrüstung

Adolf Sproeck, 1932, Arbeiter-Esperantist der ersten Stunde [ELB 2011]

Abrüstung und Esperanto

…… wollen wir uns nicht etwa einbilden, daß Esperanto das alleinseligmachende Mittel zur Völkerverständigung ist. Es ist nur ein Mittel. Der Gedanke ist utopisch, daß die internationale Sprache Kriege unmöglich macht. Aber sie kann Kriege unpopulär machen.

Quelle: La Socialisto 1932 [Österr. Nationalbibliothek] [April 1932] [Wiki]

Per Esperanto por Socialismo Organo de Aŭstria Laborista Ligo Esperanlista Redakcio kaj administracio: Wien XXI, Angererstraße 14, Aŭstrio, Represo de artikoloj permesata nur kun cito de la fonto: Socialista Esperanto-Asocio (Germanio) — Erscheint am 1. jedes Monats


Der Weltkrieg ist doch nicht so ganz spurlos an der lebenden Generation vorübergegangen.

Für die große, übergroße Mehrzahl derer, die an ihm teilgenommen haben, ist der Ruf „Nie wieder Krieg“ keine leere Phrase! Es ist uns ernst darum! Wir wollen nicht, mehr als „ultima ratio“ diplomalischer Weisheit (oder vielmehr Unweisheit) die blutige Austragung inter­nationaler Konflikte.

Wir wollen, daß sich die Völker verständigen, durch Verhandlungen einigen. Und es hatte auch nach Beendigung des Weltkrieges den Anschein, als ob die Völker bzw. ihre Vertreter einsahen, daß ein Krieg unvernünftig ist, daß die friedliche Lösung vorzuziehen sei.

Und so gründete man den Völkerbund. Mit Satzungen, Paragraphen, Bestimmungen, Verpflichtungen. Aber man hatte nicht bedacht daß der Völkerfrieden immer bedroht sein wird, solange es Waffen zur Kriegsführung gibt, solange Armeen bereit stehen, auf Befehl zu morden.

Wenn jetzt die Frage der Abrüstung aktuell ist, wenn jetzt die Mächte Konferenzen einberufen, die sich mit der Frage der Abrüstung beschäftigen. so wollen wir dabei nicht außer Acht sen, daß diese Mächte an Abrüstung gar nicht denken. Sie sagen wohl so, aber sie meinen allenfalls „Rüstungsbeschränkung“, und jeder einzelne Staat glaubt noch dabei, daß der andere ganz besonders seine Rüstungen „beschränken“ soll. Bis jetzt ist noch nichts dabei herausgekommen.

Allerdings wäre uns schon wesentlich geholfen, wenn erst einmal an Stelle der Tolalabrüstung eine wesentliche Rüslungs­-einschränkung käme.

Leider aber sind die kriegslüsternen Kräfte in den einzelnen Ländern und zwar in den großen Ländern noch so stark, daß die Aussichten recht gering sind. Ein recht lehrreiches Beispiel dafür — und überhaupt für die Kraft des Völkerbundes — bietet der jetzige Konflikt zwischen China und Japan. De Fakto handelt es sich schon seit Monaten nicht mehr um einen „Konflikt“, sondern um einen Krieg. Die japanischen Militaristen wollten eben einen Krieg, Japan wollte eben die mandschurische Frage mit dem Argument der Gewalt lösen.

Und da scherte es sich den Teufel um Völkerbund und Kriegsächtungspakt.

China ist eben nicht in der Lage, die Ordnung aufrecht zu erhalten und darum muß Japan eingreifen. Und was tut der Völkerbund? Er läßt sich von Japan verhöhnen, er verhandelt, verhandelt, verhandelt. Warum? Weil man eben jederzeit bereit ist. es ebenso zu machen wie Japan. Weil Japan ja nur der gelehrige Schüler Europas ist. Und weil die Kriegsindustrie der europäischen Länder die Gelegenheit zu einem guten Geschält ausnutzen muß. Wer wagt es, sie dabei zu stören?

Wir müssen uns darüber klar werden, daß vom Völkerbund oder von Abrüstungskonferenzen nichts zu erwarten ist. Aber wir können die Sache einmal von einer anderen Seite aus anfassen. Im Interesse des Militarismus und der Rüstungsindustrie wird in jedem Lande die Feindschaft gegen den Nachbarn geschürt.

Sicher verspricht die Aufklärung derer, die letzten Endes die alleinigen Opfer eines Krieges sind, mehr Erfolg, als die Propaganda für Konferenzen, die nichts Durchgreifendes erzielen. Versuchen wir doch. uns einander näher zu kommen, einander zu verstehen. Nun ist leider dieses Verstehen nicht so unmittelbar möglich. Die Verschiedensprachigkeit ist ein Hindernis, das wir überwinden müssen.

Doch wir Esperantisten haben es ja überwunden, für uns gibt es keine Sprachgrenzen. Und wir müssen diesen Vorteil ausnützen.

Wir, die wir als Internationalisten der Tat nicht auf Zeitungsberichte, Übersetzer und Dol­metscher angewiesen sind, wir wollen Pioniere sein einer neuen Epoche, in der nicht das Ba­jonett und die Fliegerbombe regieren, sondern gegenseiliges Verständnis. Solidarität, Sozialis­mus.

Durch unsere Verbindung von Land zu Land, von Mensch zu Mensch dienen wir der Idee des Völkerfriedens. Wir lernen verstehen, daß jen­seits der Grenzen Menschen wohnen, die gleiche Nöte haben wie wir, die (buchstäblich) der gleiche Kapitalismus ausbeutet, die ebenso wie wir kämpfen müssen um ihr Recht, um ihre Existenz. Und wir lernen verstehen, daß nationale Belange nichts sind als Vorwände zur Sicherung, Erhaltung und Erweiterung des Profils der kapitalistischen Gesellschaft.

Je mehr wir sorgen für die Ausbreitung der internationalen Sprache, um so mehr dienen wir der Idee der Völkerverständigung letzten Endes der Abrüstung. Denn mit einem Volk, das sich nicht nalionalislisch einnebeln läßt, kann man keinen Krieg führen, das gibt sich nicht her für Brudermord und „Stahlbad“.

Dennoch wollen wir uns nicht etwa einbil­den, daß Esperanto das alleinseligmachende Mit­tel zur Völker­ver­stän­digung ist. Es ist nur ein Mittel. Der Gedanke ist utopisch, daß die internationale Sprache Kriege unmöglich macht. Aber sie kann Kriege unpopulär machen.

Sie kann die Angehörigen der verschiedenen Länder einander so nahe bringen, daß alle Behauptungen von Haß und Feindschaft ver­sinken und vergehen, daß Kriegslügen unmög­lich werden, daß über den Völkern eine Atmo­sphäre der Freundschaft entsteht als Gegen­mittel gegen alle Verseuchung mit dem Gift des Völkerhasses.

Erst diese wahrhaft internationale Gesinnung wird die Grundlage schaffen für eine sozia­lis­tische Gesellschaftsordnung, die allein eine ehr­liche Abrüstung verbürgt.