Die thematischen Veranstaltungen der Fachgruppe Esperanto an jedem 2. und 4. Montag im Monat im Kulturhaus danziger50 rückten 2016 vor allem die Leistungsfähigkeit der Sprache Esperanto in den Mittelpunkt und vermittelten den Besuchern das Leistungsspektrum dieser internationalen Sprache gemäß dem Jahresmotto
„Brückensprache – Internationale Sprache – Literatursprache – Was kann die Sprache Esperanto?“.
Dr. Cyril Brosch, Vizepräsident der Gesellschaft für Interlinguistik, eröffnete das Jahr mit seinem Forschungsbericht zum Projekt „MIME – Mobilität und Inklusion in einem vielsprachigen Europa“, an dem Wissenschaftler mehrerer europäischer Universitäten beteiligt sind. Er führte aus, in welchen Zusammenhängen und mit welchem Erfolg Esperanto in Europa als Lingua Franca verwendet wird. Was unter Sprachgerechtigkeit zu verstehen ist und wie es darum in Deutschland und Österreich bestellt ist, erläuterte der italienische Wissenschaftler Dr. Michele Gazzola.
Als der Ehrenpräsident der Gesellschaft für Interlinguistik Dr. Detlev Blanke im April die Bibelübersetzungen in Plansprachen vorstellte und die Geschichte der Bibel-Übersetzung ins Esperanto mit ihren Problemen und sprachlichen Besonderheiten darstellte, ahnten wir nicht, dass es der letzte von vielen Vorträgen dieses produktiven, international anerkannten Sprachwissenschaftlers in unserem Klub war. Im November trafen wir uns zu einem bewegenden Erinnerungsabend mit Wera Blanke und würdigten das außergewöhnliche Lebenswerk des im August dieses Jahres verstorbenen Interlinguisten, Wissenschaftsorganisators und Aktiven der Esperanto-Sprachgemeinschaft.
Die Reihe der Literaturabende wurde fortgesetzt und genutzt, um ganz unterschiedliche literarische Werke in Esperanto vorzutragen und zu diskutieren. Thomas Würfel vermittelte uns beispielsweise den aktuellen Stand und die Fortschritte seiner Übersetzung des Science-Fiction-Romans „Auf zwei Planeten“ von Kurd Lasswitz. Mit dem Auftritt des russischen Esperanto-Poeten und Journalisten Grigorij Arosjev im Klub kam hier auch wieder ein Esperanto-Autor selbst zu Wort. Die Besucher brachten Gedichtbände von ihm aus verschiedenen Zeiten mit, z.B. sein „Sonet‘“ von 1998. Aus dem „Beletra Almanako“, einem im Mondial-Verlag, New York regelmäßig erscheinenden Almanach aktueller Esperanto-Literatur, kennen wir in Berlin auch seine neueren Werke. Im Literaturcafé der danziger50 las er vier noch nicht veröffentlichte literarische Arbeiten. Eine besondere Entdeckung im Literaturcafé waren einige Werke aus der Anthologie von Esperanto-Originalliteratur, enthalten in der 2015 erschienenen Publikation „Historio de Esperanta Literaturo“ („Geschichte der Esperanto-Literatur“). Diese Literaturgeschichte ist für uns neben dem Schriftstellerlexikon „ORDENO DE VERDA PLUMO“ („Orden der grünen Feder“) eine wichtige Quelle zu Esperanto-Schriftstellern, ihrem Leben und ihren Werken.
Durch den Sprachendschungel führte uns unser Experte Gerd Bussing auch in diesem Jahr mit speziellen sprachlichen Betrachtungen und Übungen zum Gebrauch des Reflexiv-Pronomens und zu Neologismen im Esperanto. Judith Meyers Exkurs veranschaulichte uns den Gebrauch von Affixen in verschiedenen Sprachen und machte deutlich, wie daran im Esperanto angeknüpft wurde und welch produktives System von Affixen uns im Esperanto zur Verfügung steht.
Für Computer- und Smartphone-Interessierte waren von besonderem Interesse die Einführung von Chuck Smith, dem „Esperantisten des Jahres 2015“, in das neue App-Projekt „Amikumu“ und die praktische Anleitung von Thomas Würfel dazu, wie Esperanto in einer Vielzahl von Programmen eingestellt und im Alltag genutzt werden kann.
Die Vorträge von Dr. Cyrill Brosch über das Hethitische und von Prof. Christoph Knabe über die Erfindung des Computers zeugten von der Leistungsfähigkeit des Esperanto in diesen Fachbereichen.
Einige Veranstaltungen, wie z.B. die über den Esperanto-Weltkongress in Nitra (Slowakien) und das Sommerfest auf dem Esperantoplatz in Berlin-Neukölln, aber auch unsere Gäste aus verschiedenen Ländern, so Esperanto-Freunde aus Tadschikistan, Irland, Spanien, Kasachstan, Polen, Russland und weiteren Ländern gaben Einblicke in die Esperanto-Kultur international und in unserer Stadt.
Die Abende am Ende des Jahres wiesen inhaltlich bereits in das Jahr 2017, für das die UNESCO weltweit Ehrungen für Ludwig Zamenhof, den Begründer der Esperanto-Sprache und –Kultur, anlässlich seines 100. Todestages im April anregte.
Der Friedensforscher und Schriftsteller Dr. Philipp Sonntag legte im November seine Gedanken dar, welche Rolle die Internationale Sprache als neutrale Basis für eine globale Ethik des Friedens spielen kann und ging dabei auch auf den Homaranismus, die ethisch-soziale Lehre des Esperantobegründers ein.
Entsprechend dem Jahresmotto für 2017 „Die Esperanto-Kultur – 100 Jahre nach dem Tod von Ludwig Zamenhof“ gibt es gleich in den ersten Monaten des neuen Jahres Veranstaltungen über deutschsprachige Zamenhof-Biografien sowie die Zamenhof-Ehrung im April in Berlin, dazu solche über die internationale Esperanto-Jugendkultur.