Er war Esperantist (Vorsitzender des Deutschen Esperanto-Bundes), Pazifist, Schriftsteller, Eisenbahner und Bankdirektor. Jetzt hat es sich herausgestellt, daß Dr. Ernst Kliemke auch Freimaurer war. Bei der Digitaliserung von Dokumenten aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts durch die Staatsbibliothek Berlin wurden auch Zeitschriften der Freimaurer bearbeitet. In der Zeitschrift “Am Reissbrette” von 1919 findet sich unter “Mitteilungen” über die Gründung eines Bluntsehli-Ausschusses von Freimaurern, die den Gedanken des “Völkerbunds” unterstützen wollen.
Die Unterzeichneten Brr. Frmr., zugleich Freunde der deutschen Liga für Völkerbund, haben sich zu einem Bluntsehli-Ausschuß vereinigt, der es sich zur Aufgabe gestellt hat, den mit der Frmrei. so nahe verwandten Völkerbundsgedanken im Brkreise zu vertreten und zu verbreiten. Brr., die Freunde des Völkerbundsgedankens sind und anerkannten Frmrlogen angehören, werden um Mitarbeit gebeten.
Nähere Auskunft erteilt der Vorsitzende des Bluntschli-Ausschusses, Br. Ludwig
Miiffelmann, Halensee-Berlin, Seesenerstr. 54.
Als Unterzeichner werden genannt:
—- Oskar Adler — Dr. H. Bluntschli, Professor — Dr. Jäckh — Dr. B. Kaufmann — Ernst Kliemke — Dr. Müffelmann — Dr. Hjalmar Schacht — Alfred Unger.
Gutachten “Freimaurerische Volkserziehung” d
Kliemke war auch an einer Sammlung von Gutachten zum Thema “Freimaurerische Volkserziehung” beteiligt, die vom vom Verein deutscher Freimaurer (V. d. F., Leipzig 3, Fichtestr. 43) herausgegeben wurde. Sie wurde in freimaurerischen Zeitschriften wohlwollend besprochen.
Zum Beitrag von Kliemke hat August Horneffer (Solln bei München) geschrieben:
Auch der Plan, eigne frmr. »Vorhofgemeinden» zu gründen, wird besprochen. Br. Seedorf hält sie für wünschenswert, glaubt aber, daß sie von einzelnen Brn., nicht von frmr. Körperschaften ins Leben gerufen werden sollten. Eine besondere Stellung unter den Gutachten nimmt dasjenige von Br. Kliemke ein. Auch er meint, daß eine eigne neue Organisation geschaffen werden müsse, um unser Volk und schließlich die Weit im sittlichen Geist zu erziehen. Und zwar müsse das eine wirkliche Arbeitsorganisation sein, die allmählich das ganze Volk durchdringt, nicht ein bloßer Verein. Den Plan einer solchen habe er selber in seinem Buche »Fürsten ohne Krone» (unter den Decknamen Heinrich Nienkamp) entworfen. In dem »Frey-Bunde« werde der Plan, der durchaus frmr. sei, jetzt verwirklicht. Br. Kliemke beschreibt uns diesen Frey-Bund etwas näher (kleine Gruppen mit weitestem Kulturprogramm; pyramidenartiger Aufbau wie in der katholischen Hierarchie; Sammlung bedeutender Geldmittel durch wirtschaftliche Unternehmungen) und regt an, daß möglichst viele Frmr. diesem Frey-Bunde beitreten sollten. Auch könnten sich Freyschaften bloß aus Logenmitgliedern bilden; das wären dann die geistigen Mrvereinigungen oder die Arbeitsausschüsse, die von anderer Seite gewünscht werden, jedoch mit dem Vorteil, daß sie hier in einen größeren Organismus eingegliedert sind.
Es ist sehr wertvoll, daß Br. Kliemke sein eignes Lebenswerk mit den frmr. Volkserziehungsgedanken in Zusammenhang bringt. Mag sich der einzelne Leser zu der Nienkampschen Bewegung stellen, wie er will: jeder muß anerkennen, daß hier auf frmr. Grundlage eine wirkliche praktische Volkserziehungsarbeit begonnen worden ist. Mich berührt das Gutachten von Br. Kliemke ebenso sympathisch wie das von Br. Liebe, der uns ebenfalls seine eigenen Versuche und Erfahrungen vorführt. Auch Br. Ernst Horneffer, Br. Zimmer und Br. Wilm lassen uns Blicke in ihre persönliche Lebensarbeit tun und liefern uns dadurch den willkommenen Beweis, daß wir Männer unter uns haben, die auf dem Gebiete der Volkserziehung als hervorragende Fachleute gelten und die vollauf befähigt sind, frmr. Volkserziehungs-Unternehmungen zu einem für unser Volk wie für unseren Bund in gleicherweise segensreichen
Gelingen zu führen.
In Berlin war Kliemke Mitglied der Loge »Zum Widder«, in Charlottenburg. Diese gibt es trotz Auflösung 1933 wieder und sie hat eine Web-Site .
Wenn man das Leben von Ernst Kliemke kennt, wundert einen das nicht, denn der Lehrlings-Katechismus von August Horneffer sagt:
Wodurch soll sich ein Freimaurer von anderen Menschen unterscheiden?
Durch ein tadelloses Betragen, durch eine von der Knechtschaft der Vorurteile befreite Denkart und durch eine auf sittliche Grundsätze gegründete echte Freundschaft zu seinen Brüdern.