Kongress in Braunschweig, Berliner im Schloss

An Pfingsten fand 2023 in Braunschweig der Deutsche-Esperanto Kongress statt, der als der 100. seit 1906 ein wenig als Jubiläum begangen wurde. Neben der Jugendherberge, in der viele Teilnehmer übernachten konnten und wo ein Teil des Programms stattfand, wurden auch andere Orte in der Innenstadt genutzt. Für die festliche Eröffnung das “Alte Rathaus”, für die Mitgliederversammlung und das Kulturprogramm das “Forum Medienhaus” der FUNKE Medien Niedersachsen GmbH und das Museum im Schloss, wo daran erinnert wurde, daß in Braunschweig der Landesherr selbst die Elite der Herzogstum zu einem Vortrag über Esperanto eingeladen hatte, an dem er bis zum Ende selbst mit Gattin teilnahm.
Die Bemühungen mit Esperanto in die Öffentlichkeit zu gehen, waren lobenswert, aber von mäßigem Erfolg gekrönt. Die Braunschweiger Zeitung brachte am 26. Mai einen Beitrag “Wer hat Lust auf Esperanto” in dem auf die kostenlosen Angebote (Sprachkurs, Konzerte) hingewiesen wurde. Ein Beitrag im April präsentierte allgemeine Informationen über Esperanto und rechnete mit 200 Teilnehmern. Die Ankündigung war auch im regionalen Veranstaltungskalender übernommen worden. Selbst “Die Zeit” hat den Text von dpa (Konzerte, Kabarett und Kajaks) übernommen. Das Schlossmuseum hatte eine eigene Pressemitteilung herausgegeben, die nicht ganz wirkungslos blieb.

Erinnung an den 4. Vorsitzenden: Ernst Kliemke

Von seiner Wahl an Pfingsten 1925 in Magdeburg bis zu seinem unerwarteten Tod im Februar 1925 wirkte Dr. Kliemke als 4. Vorsitzender des Deutschen Esperanto-Bundes.

Es war im Berlin der Zwischenkriegszeit als Intellektueller mit sozialkritischem Hintergrund bekannt. Er fand dann viele Gemeinsamkeiten bei den Bahá’í, die sich damals für Esperanto erwärmten.

Kliemke hielt am 18. Februar 1911 einen Vortrag im Schloss zu Braunschweig auf Einladung des Herzog-Regenten (Johann Albrecht, Herzog zu Mecklenburg)

Im Rahmen des 100 Deutschen Esperanto-Kongresses fand eine Führung an historischem Ort (Schloss-Museum) am Samstag, 27. Mai 2023 ab 15 Uhr statt.

Die Informationen für die Besucher über die Dauerausstellung des Museums wurde auf Esperanto übersetzt.

Die Teilnehmer erhielten die folgende Information über Kliemke:

Beim Kongress in Magdeburg, bei dem er gewählt wurde, wurde die Eröffnung in dem damals modernsten Medium „Rundfunk“ übertragen. Er löste Dr. Steche ab, der wie andere Mitglieder des Vorstands nicht mehr kandidierte. Im Vorjahr hatten 10.000 Jugendliche und ebensoviele Erwachsene an Esperanto-Kursen teilgenommen.
An der Jahreshauptversammlung 1926 in Köln konnte er nicht teilnehmen, da er aus geschäftlichen Gründen die USA besuchte und sandte ein schriftliches Grußwort. Er nutzte die Gelegenheit zu einem Besuch de Kongresses der „Esperanto-Asocio de Norda Ameriko“ in Philadelphia (20. – 25. Juli), wo er ein Grußwort sprach.
Am Kongress in München 1927 (Pfingsten) nahm er wieder teil und ebenso am Weltkongress in Danzig im selben Jahr (28. 7. – 4. 8.), wo er einen Vortrag zum über das Thema „La kulturaj principoj de l’ Bahaismo“ hielt, der auch gedruckt und in deutscher Übersetzung erschien.
Er nahm dort an der Einweihung einer Esperanto-Eiche im Soppot in Anwesenheit von Vertretern der Stadt Danzig und bekannten Esperantisten, darunter Lidia Zamehof teil.
Sein Tod kam unerwartet und riß ihn aus der Arbeit für Esperanto. In der Januar-Ausgabe des „Germana Esperantisto“ hatte er noch in einem Nachruf auf Otto Flatauer darauf hingewiesen, dass sich dieser durch seine Schrift „Kultur und Sprache“ für Esperanto interessiert hätte und mit seinem Kurs im „Berliner Tageblatt“ die Sprache gelernt hätte. Flatauer hatte ein private Handelsschule in der Nähe vom Alexanderplatz und unterstützte die Zusammenarbeit mit dem Verlag Rudolf Mosse durch sene innovativen Ideen.
In einem ausführlichen Nachruf schrieb der DEB im Märzheft des „Germana Esperantisto“
Fŭr Ernst Kliemke war Esperanto eine große — mehr noch: eine heilige Sache; es war ihm Dienst an der Menschheit, Pflicĥt aus Überzeugung. Dieser großen Sachc galt ein gut Teil der Arbeit des Verstorbenen seit mehr als drei Jahrzehnten. Er war es, der den Kampf gegen eine Welt vom Vorurteilen bei der Presse der Reichshauptstadt als erster aufnahm und lange Zeit als einziger fŭhrte. Seine Erfolge lassen sich nicht in Zahlen ausdrücken; aber daß die E-Bewegung auch von der maßgebenden Presse nicht mehr ŭbersehen wird, ist größtenteils sein Verdienst.
Kliemke war in den 1920er Jahren in Berlin aktiv und setzte seine Popularität als respektierter Schriftsteller (Pseudonym Heinrich Nienkamp) für Esperanto ein.
Bei einer Veranstaltung im Herrenhaus (ehemaliger Preußischer Landtag) am 9. Januar 1925, an der 500 Zuhörer teilnahmen, hatte er den Vorsitz.
Durch seinen Kontakt zum Verlag Rudolf Mosse wurde dort eine in einer „Esperanto-Fako“ die „Biblioteko Tutmonda“ eingerichtet, die populäre Schriften in preiswerten Ausgaben veröffentlicht.
Ein „Esperanto-Tanzlied“ in Mosses „Crescendo Theaterverlag“mit Text von Kliemke zeigt seine breitgelagerten Talente und Interessen.
Sein Ruhm gründete sich auf das Buch „Fürsten ohne Krone“ im Vita-Verlag. Darin beschreibt Kliemke seine Vision einer „Kulturorgnisation“ als einer Alternative oder Ergänzung zu politischen Parteien. Der Untertitel „fast ein Roman“ bezieht sich auf die gewählte Form einer Sammlung kurzer fiktiver Berichte aus fiktiven Zeitungen, die sein Anliegen aus unterschiedlichen weltansachaulichen Sichtweisen illustrieren.
Im Prinzip geht es um das Wirken des US-Amerikaners und Millionärs Richard Fry, der seinen ererbten Reichtum für die Schaffung einer „Kulturorganisation“ nach den Prinzipien von Nienkamp einsetzt.
Esperanto wird mehrfach erwähnt, aber als eine selbstverständliche Angelegenheit im Wirken dieser Kulturorganisation.
Das Buch wurde von den Intellektuellen in Deutschland positiv aufgenommen und vielfach lobend besprochen, wenn auch meist ohne den Aspekt „Esperanto“ zu erwähnen.
Aufgrund des Buches wurden in Deutschland „Freyschaften“ und ein „Freybund gegründet, woran sich auch Esperantisten und Esperanto-Gruppen beteiligten.
Die Idee basiert auf sozialreformerischen Gedanken, die Kliemke schon länger beschäftigt hatten und die sich auch in seiner Propaganda für Esperanto wiederfinden. Nach Beginn des Ersten Weltkriegs hatte er als Heinrich Nienkamp in seiner Schrift „Die Reichs-Aktien-Gesellschaft, Ein Vorschlag zur Organisasion der Friedenswirtschaft im Krieg“ auf 46 Seiten einen Vorschlag entwickelt, die horrenden Gewinne aus der Kriegswirtschaft sozialverträglich umzuverteilen. Es ist als Bittschrift an den Reichskanzel formuliert und bezeichnet den Krieg in Sinne der herrschenden Propaganda als „Befreiungskampf europäischer Kultur“.
Praktische Erfahrung im Geschäftsleben
Hier flossen seine Erfahrungen als Banker mit Verbindungen zu den höchsten Kreisen des Finanzkapitals und Kolonialverwaltung ein, die sich aus seiner beruflichen Karriere ergaben.
Nach einem Jurastudium in Freiburg und Berlin (1894 Promotion zur Rolle des Bundesrats) begann er als Gerichtsassessor in Berlin und wechselte dann in die Privatindustrie. Für die Deutsche Bank kümmerte er sich um die juristischen Angelegenheiten bei der städtebaulichen Entwicklung von Charlottenburg-Westend. Da er sich offensichtlich als tüchtig und zuverlässig erwies, wurde er in den Vorstand von Gesellschaften berufen, an denen die Deutsche Bank beteiligt war. In deren Auftrag nahm er sogar später an Verhandlungen zur Bagdad-Bahn in London teil.
In der Kolonie „Deutsch-Ostafrika“ (heute im wesentlichen Tansania) wurde er zum Direktor der „Ostafrikanischen Eisenbahngesellschaft“, sowie der „Ostafrikanischen Bank“ ernannt. Zudem war er Direktor einer „Hotelgesellschaft Kaiserhof“. Diese betrieb in Daressalam das „Hotel Kaiserhof“, die das modernste und luxuriöseste in der Gegend war: mit einem „Wiener Caféhaus“, fließend warmem Wasser und elektrischem Licht. Kliemke ist bei seinen Besuchen in Ostafrika nachweislich dort abgestiegen.
Sein Dienstsitz war aber in Berlin im Regierunsviertel, wo der Kontakt zur Kolonialverwaltung gehalten wurde. Klimke nahm in dienstlichem Auftrag an den Kolonialkongressen teil, wo er auch die Gelegenheit nutzte auf das Sprachproblem in Ostafrika aufmerksam zu machen. Hier lernte er auch den Johann Albrecht, Herzog zu Mecklenburg [-Schwerin] und seine Frau, die Prinzessin Elisabeth zu Stolberg-Roßla kennen, die beide leitende Funktionenen in der Deutschen Kolonialgesellschaft hatten.
Es war die Zeit um 1907 und 1908 als Esperanto in Deutschland einen merklichen Aufschwung erlebte: Gründung des DEB in Braunschweig und Weltkongress in Dresden 1908. Kliemke unterstütze das durch Beiträge in Berliner Tageszeitungen, wobei ihm seine beruflichen Verbindungen sicher eine Hilfe waren. Er argumentierte aus der praktischen Sicht des Geschäftmannes (Kaufmann), während die Esperanto-Propaganda ansonsten sprachliche Aspekte betonte (leichte Erlernbarkeit, Wohlklang).
Seine Texte wurden von anderen Zeitungen übernommen und damit über Berlin hinaus bekannt.
Es entwickelte sich eine Verbindung zu der Zeitschrift „Vortrupp“, die der „Lebensreform“-Bewegung verbunden war. In jedem Jahrgang vor dem Ersten Weltkrieg gab es einen längeren Beitrag zu Esperanto und den Fortschritten der Esperanto-Bewegung, meist von Kliemke selbst verfaßt. Zum Tod von Zamenhof 1917 wurde eine längere Würdigung abgedruckt, die auch als Broschüre erschien.
Vortrag im Braunschweiger Schloß 1911
Ein Höhepunkt dieses Wirkens war sicher der Vortrag im Herzoglichen Schloß zu Braunschweig am Januar 1911. Der Herzog hatte alle Honorationen des Herzogstums in das Schloß befohlen, wo Kliemke einen Vortrag über Esperanto hielt.
In Braunschweig gab es bereits ein rührige Esperanto-Bewegung. Diese hatte sich schon 1907 für die Gründung eines nationalen Verbands nach dem Muster von Frankreich und England stark gemacht, aus dem dann der Deutsche Esperanto-Bund wurde. Esperanto-Kurse fanden in der Drogisten-Akademie des Dr. Freise statt und der Jurist Reinking, der später zum Staatsanwalt beförder wurde, engagierte sich im lokalen Verein.
Im Anschluß an den Vortrag von Kliemke kamen die lokalen Akteure zu Wort und berichteten über ihre Erahrungen.
Auf speziellen Wunsch der Herzogin, die sich an den allzu technischen Diskussionen störte, trug Kliemke das Gedicht „Königstochter“ vor, das von Zamenhof übersetzt worden war.

Mir träumte von einem Königskind

Mit nassen, blassen Wangen;

Wir sassen unter der grünen Lind’,

Und hielten uns liebeumfangen.

En sonĝo princinon mi vidis
kun vangoj malsekaj de ploro, –
sub arbo, sub verda ni sidis,
tenante nin koro ĉe koro.

„Ich will nicht deines Vaters Thron,

Ich will nicht sein Szepter aus Golde,

Ich will nicht seine demantene Kron’,

Ich will dich selber, du Holde!“

De l’ patro de l’ via la krono
por mi ĝi ne estas havinda!
For, for lia sceptro kaj trono –
vin mem mi deziras, aminda!”

Das kaann nicht sein, sprach sie zu mir,

Ich liege ja im Grabe,

Und nur des Nachts komm’ ich zu dir,

Weil ich so lieb dich habe.

– “Ne eble!” ŝi al mi rediras:
“En tombo mi estas tenata,
mi nur en la nokto eliras
al vi, mia sole amata!”

 

Einige Wochen später besuchten der Herzog und seine Frau die „Internationale Ausstellung für Reisen und Fremdenverkehr“ in den Austellungshallen am Zoo, wo es auch eine große Esperanto-Ausstellung gab. Kliemke traf sich erneut mit dem Herzog und erläuterte das ausgestellte Material. Darunter eine reichhaltige Auswahl an Zeitschriften aus aller Welt und zu verschiedenen Themen.

Dokumente
Nachruf Kliemke 1928 GE 1928
https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Kliemke
Zusammengestellt von
Roland Schnell, Burgsdorfstr. 14, 13353 Berlin
Mobil: 176 / 53 54 99 34
Beiträge in esperanto.berlin

Willkommen!

 

 

 

Über Roland Schnell

Eo ekde 1969, aktiva ekde 1974.
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