Weinhengst, Hans († 1945 Berlin)

Ein Eintrag im Taufbuch von Statzendorf (Niederösterreich) vermerkt lediglich, dass der 1904 geborene Johannes Weinhengst im Mai 1945 in Berlin gefallen sei.

Eine Recherche in der Datenbank des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. von Robert Weemeyer ergab, das sich sein Grab im Friedhof »In den Kisseln« in Spandau befindet: Block 113 Reihe 3 Grab 28. Es gibt dort eine Gedenkstätte für Kriegsopfer. Der Tagesspiegel vom 8. Mai 2015 schreibt dazu:

Der größte Friedhof für Kriegsopfer ist der Spandauer „Soldatenfriedhof“ In den Kisseln. Von den 6000 Toten, so schätzt Wernicke, sind rund ein Drittel Wehrmachtsangehörige. Auch Zwangsarbeiter aus den von der Wehrmacht besetzten Gebieten, Bombenopfer und Flüchtlinge aus dem Osten liegen hier begraben, jede Opfergruppe in ihrer eigenen „Abteilung“. Auf dem zentralen Gedenkplatz steht ein sieben Meter hohes Kreuz aus Sandstein.

In der Seite eines Denkmalprojekts  von Ahnenforschern findet sich im Ehrenfeld 113 der Name »Weinhengst J.« mit der Angabe 1939-1945. Das Grünflächenamt Spandau informiert:

Abteilung 113
Hier ruhen überwiegend deutsche Soldaten und Polizeibeamte.

Damit könnte geklärt sein, auf welcher Seite er gekämpft hat.

Hans Weinhengst war Mitglied der Sozialdemokratischen Partei und im Widerstandskampf der österreichischen Arbeiter gegen den Faschismus aktiv. Er lebte mit seiner Ehefrau und einer Tochter in ärmlichen Verhältnissen im 10. Wiener Gemeindebezirk Favoriten.

Nachdem er nach und nach autodidaktisch Englisch, Latein, Holländisch und Ungarisch gelernt hatte, hat er laut »Historio de Esperanto« 1920 Esperanto gelernt. Er veröffentlichte in den Zeitschriften von SAT.

Er wurde zu einem führenden Mitglied der sozialistischen Esperanto-Bewegung, übersetzte Arbeiterlieder und veröffentlichte Lyrik und Erzählungen in Esperanto. Er schrieb regelmäßig in der in Paris erscheinenden Zeitschrift Internacia Socialisto Esperantista, etwa im Jahr 1933 mit einem Artikel gegen den Krieg.

Bei dieser Biografie würde man sich wünschen, dass er auf der »richtigen Seite« sein Leben geopfert hat.

Sein Roman Turstrato 4  wurde 1934 vom ungarischen Esperanto-Verlag Literatura  Monda  veröffentlicht.

Courtinat schrieb 1964 in »Historio de Esperanto« dazu:

Rakonto pri la vivo de malriĉa familio en laborista kvartalo de Vieno. La rakonto estas tute malgaja. Ĝi ne plaĉas en la ordinara senco de l’ vorto sed ĝi estas tamen bona libro. La aŭtoro volas montri al li kia estas la vivo en la mallumaj anguloj de nia socio. Sed la aŭtoro ne proponas sian solvon de la problemo pro tio, la libro donas impreson de plena rezigno, malkuraĝo. Tamen ĝi estas vere serioze verkita kaj havas celon kaj sencon. La stilo estas bona.

Das Buch ist auch in der Berliner Esperanto-Bibliothek vorhanden und kann während der Ĵaŭda rondo (immer donnerstags) eingesehen und ausgeliehen werden.

Österreichische Nationalbibliothek – Hans Weinhengst, 1940

In seiner »Concise Encyclopedia of the Original Literature of Esperanto, 1887-2007« stellt Geoffry Sutton auf Seite 165 in eine Reihe mit Varankin, der ja auch einen besonderen Bezug zu Berlin hat. Gerd Bussing hat darauf hingewiesen, dass Weinhengst bei Sutton noch als “verschollen” nach dem Anschluss Österreichs geführt wird.

Der Roman wurde von Christian Cimpa übersetzt und erscheint im Herbst 2017  im Wiener Verlag Edition Atelier mit einem Nachwort von Kurt Lhotzky.

Es gibt eine

Einladung: Buchpräsentation “Turmstraße 4”

am Donnerstag, 21. September, 19.00 Uhr

Verein für Geschichte der ArbeiterInnenbewegung (VGA)

Rechte Wienzeile 97, A-1050 Wien

Begrüßung: Georg Spitaler (VGA)

Lesung aus dem Roman (Esperanto und Deutsch): Christian Cimpa (Übersetzer) Gespräch über Hans Weinhengst, die Arbeiterbewegung und die Geschichte des Esperanto: Kurt Lhotzky (Nachwort) & Christian Cimpa Moderation: Jorghi Poll (Edition Atelier)

Es heisst zum Inhalt:

Turmstraße 4. Alles könnte so einfach sein für Martha und Karl, doch das Leben legt ihnen nur Steine in den Weg. Während sie unter ihrem gewalttätigen und kriegstraumatisierten Vater leidet, findet er seit Jahren keine Arbeit und kann seine Eltern und Geschwister nicht unterstützen. Die Gründung einer gemeinsamen Familie rückt ohnehin immer mehr in die Ferne, sie leiden Hunger und Kälte, die Not scheint kein Ende zu nehmen. So wie dem jungen Paar geht es vielen Menschen in Wien zu Beginn der 1930er-Jahre. Die beiden fassen schließlich einen folgenschweren Entschluss.

Turmstraße 4 ist eine ungeschönte und herzzerreißende Sozialstudie der Arbeiterklasse, die neben bitterer Verzweiflung auch Hoffnung zeigt.

Es gibt ein Video zum Buch

Turmstrasse 4 haben wir auch in Berlin. Es ist in Moabit gegenüber dem Amtgericht Tiergarten und Sitz eines Sushi-Lieferdienstes. Direkt daneben liegt die Dorotheenstädtische Buchhandlung, die auch Lesungen veranstaltet.

Über Roland Schnell

Eo ekde 1969, aktiva ekde 1974.
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