Vor 50 Jahren

Der_Esperantist_titel

Vor genau 50 Jahren im Jahr 1970 konnten die Esperanto-Freunde in der DDR in der Region, die heute von der Esperanto-Liga Berlin-Brandenburg abgedeckt wird, alle zwei Monate Neuigkeiten aus der Zeitschrift »der esperantist« erfahren. Diese Zeitschrift ist inzwischen digital zugänglich und kann einfach ausgewertet werden. Relevant sind für die engere Geschichte der ELBB nur Berlin (Hauptstadt der DDR) und die Bezirke Frankfurt (Oder), Cottbus und Potsdam aus denen die Länder Berlin und Brandenburg gebildet wurden.

In Berlin befand sich das Büro der Esperanto-Abteilung im Kulturbund und die Redaktion der Zeitschrift »der esperantist« mit den folgenden Angaben 1970 im Impressum:

Herausgeber: Deutscher Kulturbund (Zentraler Arbeitskreis Esperanto der DDR).

Redaktion: 108 Berlin, Charlottenstraße 60. Fernruf: 22 59 91 (ne plu validas).
Verantwortl. Redakteur: Detlev Blanke, ♥
Redaktionskommission:

Davon hatten zumindest die mit ♥ gekennzeichneten Personen einen Bezug zu Berlin oder Brandenburg (Geburtsort, Wohnsitz oder Arbeitsstelle, auch zeitweise).

Im Jahr 1970 waren in der DDR sowohl die Feierlichkeiten zum Jubiläum der 25. Jahrestag (7. Oktober 1949) der Gründung des Staates, als auch des 100. Geburtstags von Lenin (22. April). An beidem beteiligten sich die Esperanto-Freunde.

Der Zentrale Arbeitskreis hatte schon am 13. 12. 1969 eine Festsitzung an­läßlich des Jubiläumsjahres der DDR in Berlin durchgeführt und den Fernsehturm (esperantist 38/39 Seite 8) besucht. Die Sicht war aber schlecht. Kein Wunder, denn in Ost und West war Ofenheizung mit Braunkohle.

Die Situation in Berlin wurde von Bundesfreund Ernst Schonert. dem Vorsitzenden des BAK Berlin, skizziert. Er betonte, daß die bis­her zu einem Teil erreichte Kon­inuität in der Arbeit nicht, darüber hinwegtäuschen dürfe, daß viele abseits der Arbeit im DKB stehen.

Tatsächlich sind Berichte über Berlin deutlich seltener als aus anderen Städten und Regionen. Allerdings waren viele Berliner in der zentralen Organisation aktiv.

In der Nr. 42 Juni—August 1970 wird auf Seite 42 unter den »Leninfeiern in der DDR« auch Potsdam genannt. Es wurde der in Esperanto synchronisiert sowjetische Tonfilm »Lebendiger Lenin« gezeigt und das Erzählgedicht von Bert Brecht „Die Teppichweber von Kujan Bulak ehren Lenin“ in einer Esperanto-Übersetzung vorgetragen.

Das DEFA-Studio für Synchronisation befand sich in Berlin-Johannisthal.

In der Nr. 43 September—Oktober 1970 wird über eine Delegation zum 55. Esperanto-Weltkongreß (Wien 1. —8.8.1970) berichtet:

Aus der Deutschen Demokratischen Republik nahm eine Delegation des Zentralen Arbeitskreises Esperanto im Deutschen Kulturbund (ZAK) unter Leitung von Handelsrat Rudi Graetz teil. Dieser Delegation ge­hörten weiterhin die ZAK-Mitglieder Dr. Till Dahlenburg, Dr. Hans Eichhorn, Ernst Schonert (BAK-Vorsitzender Berlin) und Detlev Blanke an.

In einer Gemeinschaftsaufführung mit den sowjetischen Esperantisten wurden die sowjetischen Filme „Die Erde, die ich liebe” (Farbfilm), „Dagestaner Ballade” und der DDR-Farb­film auf ORWO-Color „Die DDR im 20. Jahr” mit großem Erfolg in Esperanto gezeigt.

Die Beiträge der DDR-Esperantisten werden in Wikipedia nicht erwähnt.

Rektor der Sommer-Universität war Prof. Dr. Eugen Wüster, Wieselburg/Österreich, ein Spezialist von Weltrang für internationale Sprachnormung und Mitarbeiter der UNESCO. Wüster hatte ab 1919 an der Technischen Hochschule Charlottenburg studiert. Zwischen Sommer 1918 und 1920 erarbeitete er als 20- bis 22-jähriger Student im Kern das Großwörterbuch Enzyklopädisches Wörterbuch Esperanto-Deutsch („Enciklopedia Vortaro“), das bis heute hinsichtlich Detailliertheit und Zuverlässigkeit unübertroffen ist.

Der 26. Internationale Esperanto-Jugendkongreß, der vom 10. bis 17. 8.1970 in Graz/Österreich stattfand, hatte das Thema „Schule — Ort der Revolution?“ Es nahmen 200 junge Esperantisten aus 20 Län­dern teil. Aus der DDR waren es Dr. Hans Eichhorn und Detlev Blanke. Beide damals um die 30 Jahre alt. Eines der Haupt­referate zur Kon­greßthematik kam von und Detlev Blanke (DDR) sowie der Vortrag „Lenin und Esperanto“, den Dr. Eichhorn anläßlich des Leninjahres hielt.

D. Blanke erläuterte in seinem Re­ferat die Einheit von Bildung und Erziehung in den Schulen der DDR und zeigte, wie in unserer Repu­blik der neue, der sozialistische Mensch erzogen wird.

Alle Diskussionen wurden auf sehr hohem Niveau geführt und zeigten das Suchen vieler Kongreßteilneh­mer aus westlichen Ländern nach Auswegen aus der dortigen Bil­dungsmisere.

 

Auf Seite  wird über die Gründung einer

Fachgruppe Interlinguistik / Esperantologie

berichtet. Nachdem die Sowjetunion und Ungarn bereits aktiv sind, müsse auch die DDR gleichziehen.

In der DDR gibt es bisher keine Institution, die sich mit Fragen der Interlinguistik und Esperantologie beschäftigt Es wurde daher zweck­mäßig, auch in der DDR die Experten für diesen Bereich in einer Ar­beitsgruppe zusammenzufassen. Zu Beginn dieses Jahres wurde daher die Fachgruppe Interlinguistik! Esperantologie (FIE) beim Zentralen
Arbeitskreis Esperanto der DDR gegründet. Sie wird geleitet von Prof. Dr, Viktor Falkenhahn (Humboldt-Universität).

Bisher wurden zwei Veranstaltungen durchgeführt. Auf der ersten Sitzung wurde die Frage des „Gegenstandes der
Interlinguistik und der Esperantologie“ diskutiert, nachdem D. Blanke in einem längeren Referat einen Überblick über die aktuellen Definitio­nen und den internationalen Stand gegeben hatte. Auf der zweiten Sit­zung hatten die Vertreter von Ido (G. Anton), Interlingue (W. Neumann) und Interlingua (W. Raedler) die Möglichkeit, ihre Auffassungen über
die Struktur einer internationalen Plansprache darzulegen.

Auf Seite 17 / 18 Sept Okt ein Beitrag von Helmut Lehmann über den Arbeitsplan und wie wichtig dieser ist.

Oft wird er unterschätzt, der Arbeitsplan. Die Arbeit läuft ja, wir sind doch aktiv; heute machen wir dies, morgen jenes. Eine nüchterne Ana­lyse würde jedoch ergeben, daß wir oft nicht systematisch und gründlich genug vorgehen. Es gibt zu viele sogenannte „Stoßaktionen“, und man treibt von einer zur anderen. Was hätten wir aber erreichen können, wenn wir systematisch und völlig realistisch nach einem Plan vorge­
gangen wären? Es ließe sich der Beweis erbringen, daß diese Arbeitsweise ungleich effektiver ist.

Auf in Nummrt Seite 17 eine kurze Notiz über Esperanto-Bücher aus Bulgarien.

Novaj Libroj

Karl-Marx-Buchhandlung en Ber­lin, Karl-Marx-Allee 78/84) havigas al vi jenajn verkojn „Flugas kanto tra la mondo“ (bulgaraj kantoj en Esperanto), M 4,65; Botev: „Elek­tita verkaro“, M 5,15; Esperanto­ disko kun kantoj de M. Nikolova kaj Kiril Semov, M 8,15.

Nr. 44 vom November—Dezember 1970 auf Seite 17 eine kurze Notiz über die neue Adresse von Rudi Graetz (Prezidanto de Centra Labor­rondo Esperanto de GDR)

102 Berlin, Karl-Marx-Allee 23 (ne plu valida)

Ein Neubaublock neben dem Kino International. Er hatte am 3. September in Potsdam en einer Beratung von 31 international arbeitenden Organisationen teilgenommen. Darunter war auch die »Mondpaca Esperanto Movado«, die von ihm und Helmut Fuchs vertreten wurde. Die Arbeit von MEM wurde in der Dokumentation der Beratung gewürdigt.  Auch andere Esperanto-Organisationen sollten an den Beratungen teilnehmen.

In der rechten Spalte ein Berichte über Sendungen im DDR-Rundfunk.

Du gravaj radio-intervjuoj pri Esperanto

Lastatempe okazis du gravaj inter­vjuoj de GDR-radiostacioj pri Esperanto. La distrikta stacio de Potsdam disaŭdigis la 20-an de ok­tobro 10-minutan intervjuon kun f-ino Carola Schimmelpfennig kaj s-ro Arnold Zenkeri.

La tutrespublika junulara studio DT 64 dissendis la 10-an de okto­bro 1970 intervjuon kun la sekre­tario de Centra Laborrondo Espe­ranto de GDR Detlev Blanke pri Esperanto, ties lingva konsisto, la laboro de la esperantistoj en GDR, la internacia movado, literatura taŭgeco de Esperanto, la signifo de planlingvo por la scienca-tek­nika revolucio ktp. La studio pre­zentis esperantlingvan diskon kaj alvokis la junularon de GDR studi la internacian lingvon en la kursoj  de la Germana Kulturligo.

Auf Seite 18 dann ein ausführlicher Bericht im Abschnitt »El la distriktoj« über ein Treffen der Berliner:

Distrikta renkontiĝo en Berlin

Pli ol 50 geesperantistoj el Berlino kunvenis la 24-an de oktobro 1970 okaze la dua distrikta renkontiĝo en Glienicke Nordbahn. La ĉefre-ferajon faris la sekretario de la Centra Laborrondo Esperanto de GDR, Detlev Blanke, kiu resumis la ĝis nun atingitajn sukcesojn de la esperantistoj de GDR dum la lastaj 5 jaroj, atentigis pri la an­koraŭ forigendaj mankoj kaj ski­zis la perspektivon por la 70-aj jaroj. Sekvis diskuto pri la kon­kretaj porberlinaj taskoj. La tri rezolucioj de la V-a MEM-konferenco (Vieno 1970) estis unua­nime akceptitaj kiel subtenenda.

Posttagmeze oni montris la GDR-kolorfilmon en Esperanto »La GDR en sia 20-a jaro«. Pri la 55-a UK raportis s-ro E. Schonert, la estro de la distr. laborrondo. Sekvis lumbildoj pri la UK kaj la TEJO-Kongreso en Graz. La vesperon fi­nigis prezentado de sondiskoj kaj ties trafa komento far D-ro H. Eichhorn kaj komuna kantado.

Das auf Seite 19 erwähnte Treffen dürfte auch in Berlin stattgefunden haben.

Kommission Arbeiter-Esperanto-Bewegung

Am 19.12. 70 tagte beim ZAK die Kommission zur Erforschung der Traditionen der Arbeiter-Esperanto-Bewegung, an der 8 Bundesfreunde teilnahmen. Alle Esperantofreunde werden aufgerufen, möglichst alle Materialien über LEA, SAT usw.
dem ZAK bekanntzugeben oder zur Fotokopierung zur Verfügung zu stellen. Kein Dokument darf ver­loren gehen! Forscht bei Bekann­ten! Sprecht mit Euch bekannten Bundesfreunden! Nehmt unverzüg­lich Kontakt auf mit dem Zentra­len Arbeitskreis!

Wenn man Glück hat, sind die Kopien jetzt im Bundesarchiv.

Berlin in der Zeitschrift »PACO«

Die aktive Mitwirkung in der »Mondpaca Esperantista Movado (MEM)« (Weltfriedens Esperanto-Bewegung) war für die sozialistischen Länder ein wichtiges Anliegen. Auch in der DDR wurden jährlich opulet ausgestattete Ausgaben der Zeitschrift »PACO« (Frieden) produziert, die spezifisch deutsche Themen behandelten (Politik, Literatur, Kultur, Geschichte, Tourismus). In der Ausgabe von 1970 wird unter anderem »Berlin, Hauptstadt der DDR« vorgestellt. Auch Autoren und Übersetzer kamen häufig aus Berlin.

GDR-eldono de Paco 7/8 1970

Jen el la enhavo de la ĉijara GDR-Paco-numero:
„Genocido“, „Napalmo“, „Malgraŭ israelaj agresoj — ekonomiaj sucesoj en la arabaj landoj“ (R. Graetz), „Ĉiu-sekunde mortas unu homo“, „La milionoj da mortintoj de l’imperiismo“, „La nuklearmila danĝero“, „Sekundoj ĝis la morto“, „La soldato de la Ciotat“ (B. Brecht), „Kiel mal­ venkigi Esperanton: la neŭtralisma metodo“. „Lenin kaj la paco“, „Eduko de estontaj Civitanoj“, „La vivo de la judoj en GDR“, „GDR-lando de libro“, „Teatrolando GDR“, „La du filoj“ (B, Brecht), „Berlin — metro­polo de GDR“, „ĉarma vespero“ (Kästner), „Pri la historio de inter­naciaj planlingvoj“ (D. Blanke), „Esperanto-amikoj de GDR por la paco — kvin jaroj da sukcesplena laboro“ (R. Graetz), „Eroŝenko“ (O. Bäßler), „Interlingvistikaj kaj esperantologiaj Standard verkoj“ (D. Blanke).

Andere berliner Verbindungen

In Nummer 43 auf Seite 20/21 ist der Text von »Prelego pri fundamentaj elementoj de Esperanto« Raymond Schwartz.

Nach dem Zweiten Weltkrieg veröffentlichte er seinen großen Roman Kiel Akvo de l’ Rivero, in dem er teilweise autobiographisch das Leben eines jungen Franzosen aus dem deutsch-französischen Grenzgebiet darstellt, der nach seinem Schulabschluss für einige Zeit nach Berlin kommt, bei Kriegsausbruch 1914 aus Berlin fliehen muss.

Der Name von Walter von Waldowski taucht bei einem »Komplementa Vortaro« auf, das in Teilen nach und nach veröffentlicht wurde. Die Einleitung war in der Nummer 36/37 , wo er als »Diplomita Esperantoinstruisto« bezeichnet wird. Im der Nummer 43 sind Teile der Buchstaben F und G. Lediglich bei seiner Frau Margarete gibt es einen Hinweis auf eine Übersiedlung nach Westberlin, was angesichts des Alters der beiden nicht unbedingt politische Gründe haben musste.

In der selben Nummer 36/37 war auf Seite 22 ein Glückwunsch zum Geburtstag zum 8o. Geburtstag von Margarete von Waldowski:

Margarete kaj Walter de Waldowski apartenas al tiuj esperantistoj en GDR, kiuj ne nur parole sed vere kaj el plena koro, kun admirinda laboremo agas por kaj per Esperanto. 1969 estis por ambao la jubilea jaro de ilia 50-jara esperantisteco. CLR, kaj certe ĉiuj esperantistoj, kiuj konas
tiun simpatian paron, elkore gratulas al ili dezirante ankoraŭ, multajn sanajn kaj feliĉajn jarojn. Tion ni speciale esprimas al sinjorino de Waldowski, kiu festis la 1.12.1969 sian 80 naskiĝtagon. CLR

Presseschau 1970

Das ganze Jahr über wurde die Berichte in Tageszeitungen registriert und vermutlich die Ausschnitte gesammelt.

  • „Neue Zeit“, Berlin, 8. 9. 70, anonco de la Centra Renk., same en
    „Bauernecho“, Berlin, 8. 9. 70, „Märkische Volksstimme“, Potsdam, 26. 9. 70
  • Pli ampleksajn informojn pri la Centra Renkontiĝo kaj la aktivado en – kaj eksterlanda troviĝis en „Azet-Abendzeitung“, Leipzig, 7. 9. 70, „Die Union“, Dresden, 10. 9 .70; 11. 9. 70; 29. 9. 70; „Die Union“, Karl-Marx-Stadt, 2. 10. 70; 25. 9. 70; En ampleksaj artikoloj raportis pri la Renkon­tiĝo „Liberal-Demokratische Zeitung“, Halle, 26. 9. 70, „Neues Deutschland“ (Respublika eldono!!) 26. 9. 70, „BZ am Abend“, Berlin, 26. 9. 70, „Freie Presse“, Karl-Marx-Stadt, 28.9.70, „Sonntag“, Berlin, 11. 10.70 (mallonge), „Brandenburgische Neueste Nachrichten“, Potsdam, 23. 9. 70, (ampleksega: „Faŭsto de Goethe en Esperanto“)
  • „Märkische Volksstimme“, Potsdam. 29. 8. 70, ampleksa artikolo de L. Schödl „Esperanto havas estontecon“.
  • „Märkische Volksstimme“, Potsdam, 11. 9. 70, pri loka agado pri sama temo „Thüringer Neueste Nachrichten“, Erfurt, 14.8.70
  • „Der Morgen“, 6. 9. 70, pri pola Esperanto-gazeto por blinduloj; same la lecionoj de Peter Levsen kun informoj „BZ am Abend“, Berlin, 30. 10. 70, pri la dua distrikta renk, en Berlin, same „Der Morgen“, 20. 10. 70
  • „Die Trommel“, Berlin, 1. 9. 70, organo de la pionira organizo de GDR, ampleksa interesaj artikolo „Ĉu oni en la jaro 2000 parolos nur kelkajn lingvojn aŭ, idealokaze, nur unu mondlingvon?“ resp. pozitivas por plan­lingvo, ne menciante Esperanton.

Über Roland Schnell

Eo ekde 1969, aktiva ekde 1974.
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