Traditionell findet die Jahrestagung der GIL (Gesellschaft für Interlinguistik) in Berlin statt. In diesem Jahr ist es in der Jugendherberge Berlin Ostkreuz (Marktstraße 9-12, 10317 Berlin) in Friedrichshain vom 23. bis 25. November 2018.
Das Schwerpunktthema (zum Programm) ist:
Sprache und Globalisierung
Im vollständigen Programm (PDF) tauchen die Namen von verschiedenen Berlinern als Referenten auf.
- Dr. Cyril Robert Brosch (Berlin): Einige Bemerkungen zur Muttersprachlichkeit in Esperanto
- Roland Schnell (Berlin): Querverbindungen zwischen Esperanto und der
lebensformerischen Zeitschrift „Der Vortrupp“ - Ortwin Zeitlinger (Berlin): Eine universale Orthografie
Ebenfalls ist es eine langjährige Tradition, dass Johann Pachter mit seinen Büchertisch dabei ist. Ein Bein in Berlin hat Martin Haase, der auch einmal Vorsitzender der Esperanto-Liga Berlin war.
- Prof. Dr. Martin Haase (Bamberg): Jenseits des Globalen – Zur Typologie des
Klingonischen
Und nicht zu vergessen ist Dr. Detlev Blanke, auf den die Gründung der GIL im Jahr 1991 letzlich zurück geht. Es gibt eine Todesanzeige bei GIL. Es wurde auf den Nachruf in der BZ hingewiesen und sein Lebenwerk war Thema der Esperantologischen Konferenz beim Weltkongress in Lissabon 2018.
Zum Vortrag von Roland Schnell liegt schon eine Zusammenfassung vor:
Bei einer Zeitschrift, die sich martialisch »Der Vortrupp« nennt und sich als »Halbmonatsschrift für das Deutschtum unserer Zeit« vorstellt, erwartet man keine besondere Sympathie für Esperanto. Tatsächlich sind im Vortrupp zwischen 1912 und 1919 in jedem Jahr mit Ausnahme des letzten ausschliesslich wohlwollende Beiträge zu Esperanto erschienen. Das waren knappe Meldungen über die Entwicklung der Esperanto-Bewegung und längere Abhandlungen zu sprachwissenschaftlichen Aspekten die jeweils 1 – 2 % der Druckseiten eines Jahrgangs einnehmen. 1917 war es ein Lebensbild von Zamenhof, das der bekannte Schriftsteller Heinrich Nienkamp auch in einer zweisprachigen Version als Broschüre im Verlag »Ader & Borel« veröffentlichte.
Umgekehrt hat die Esperanto-Bewegung immer wieder auf den »Vortrupp« hingewiesen und ausdrücklich als Publikation erwähnt, die der Sache von Esperanto wohlwollend gegenüberstehe. Im »Germana Esperantisto« von 1914 schaltete »Der Vortrupp« eine Anzeige mit dieser Botschaft. Verschiedene Esperanto-Gruppen nahmen Kontakte zu den über 150 Ortsgruppen des »Vortrupp-Bundes« auf. Sie boten an Vorträge über Esperanto zu halten und boten Esperanto-Kurse an.
Der Erscheinungsbild des »Vortrupp« lässt nicht erkennen, dass es sich um alles andere als, ein »deutschnationales« Organ handelte, sondern um eine Stimme der »Lebensreformbewegung«, die sich für Bodernreform, Schulreform, Ernährungsreform usw. einsetzte. Esperanto wurde dabei als rationelle Lösung des »Sprachproblems« integriert.
Die Querbeziehungen konnten 2018 erforscht werden, nachdem ein DFG-Projekt die komplette Sammlung des »Vortrupp« der Universitätsbibliothek Bremen digitalisiert hatte und durch eine spezielle OCR-Software die Frakturschrift für die Textsuche zugänglich wurde. Gleichzeitig wurde an der Österreichischen Nationalbibliothek durch das System ANNO die früher digitalisierten Esperanto-Zeitschriften für die Textsuche erschlossen.
Damit konnte die Intensität der Beziehungen, die nach dem Ende des Ersten Weltkriegs nicht mehr systematisch bearbeitet wurden, erstmals in vollem Umfang erfasst werden. Dabei wurden interessanten Übereinstimmungen, etwa in der Haltung zum Ersten Weltkrieg und zur Rolle der »Kulturnation« Deutschland und ihrer Sprache in der Welt, erkennbar. Aber auch bezeichnende Differenzen, etwa in der Haltung zu Alkohol, Fleischverzehr, Bodenreform oder Naturheilkunde. Hier erweist sich »Der Vortrupp« als »moderner« als die offizielle Esperanto-Bewegung.
Das entscheidende Bindeglied war wieder ein Berliner: Erich Kliemke, damals Direktor der Ostafrikanischen Eisenbahn-Gesellschaft (mit Firmensitz in Berlin und Aussenstelle in Daressalam) und später Vorsitzender des Deutschen Esperanto-Bundes.