Espero Katolika: No 4 1920
Der Charlottenburger Esperantist Rudolf Sprotte verstarb im Jahr 1920 an einer Grippe. Nur eine kurze Meldung ohne genaues Todesdatum und mit falschem Vornamen erinnerte an seine Verdienste. Er hatte das Stenografie-System »Aoro« entwickelt, das im Gegensatz zu den üblichen nationalsprachigen Systemen, auch für andere Sprachen, also auch Esperanto, verwendbar sein sollte.
Er hatte als Schüler in Charlottenburg Esperanto gelernt und sich in der Berliner Gruppe engagiert. In einem Adressbuch der Personen, die 1908 Esperanto gelernt hatte, wird er als Nummer 18395 aufgeführt. Die Oficiala Gazeto Esperantista vom 25. November 1908 meldet, daß es einen neuen Vorstand gibt : Berlin. Nova estraro de la Grupo. Pr., Schiff, Bernburgerstrasse, 18 (patentadvokato); Sekr., Sprotte, Bismarckstrasse, 24, en Charlottenburg. Im Jarlibro von 1908 ist er unter dieser Adresse als Oberprimaner verzeichnet.
Anzeige in Juna Esperantisto von 1910
Sprotte übertrug das bekannte Lehrbuch von Becker und Grosjean-Maupin aus dem französischen ins Deutsche. Verlegt im Verlag Möller & Borel in Berlin. Ein Exemplar hat in bei der »Katolicki Uniwersytet Lubelski Jana Pawła II« in Polen überlebt und wurde zum Download digitalisiert.
Es kann sein, daß er ein spätes Opfer jener »Spanischen Grippe« wurde, die in Wellen seit 1918 durch Europa zog. Die Welle im Winter 1919/20 richtete, kaum noch Schaden an, weil die Bevölkerung inzwischen immun war. Aber eben nicht der Rückkehrer aus dem Nahen Osten, der zudem das passende Alter (20 – 40 Jahre) hatte.
Er hatte, was in der damaligen Zeit ungewöhnlich war, Arabisch gelernt und begonnen den Koran zu übersetzen.
Die Literaturbeilage der Zeitschrift »Germana Esperantisto« veröffentliche die Suren 104, 107, 109, 110 und 112 in der Nummer 11 vom November 1909. Ein Jahr zuvor war die etwas populärere erste Sure zusammen mit den Suren 82 und 92 veröffenlicht worden.
La Unua Surato: „La Malfermo de l’ Korano“.
Pro la nomo de l’ indulgema kaj malsevera Dio!
Laŭdo estu al Dio, la majstro de l’ mondoj,
- la indulgema, malsevera,
- reĝo en la tago de l’ juĝo!
- Al vi servu ni, kaj al vi ni preĝu,
- ke vi konduku nin en la ĝusta vojo,
- en la vojo de tiuj, al kiuj vi afablas,
- kaj nek de tiuj, al kiuj vi koleras, nek de l’ erarulo!
Der Koran wird auf Esperanto als »Sankta Korano« oder »Nobla Korano« bezeichnet. Es gibt verschiedene Übersetzungen. Aber an Sprotte aus Charlottenburg hat sich später niemand mehr erinnert.
Es hielt ihn aber offensichtlich wenig in Charlottenburg, denn er begann ein Wanderleben, das ihn nach Paris, London, Gibraltar und schliesslich nach Bagdad führte. Aus Gibraltar meldete er sich noch mit der Bitte um Adressen von muslimischen Esperantisten.
Bei einem Esperanto-Abend in London verblüffte er durch seine vielseitigen Talente. Der
La vizitanto de la vespero estis S-ro Rudolf Sprotte, el Germanujo originale, sed nun Parizano. Ni petis, ke li kantu, sed ni tute ne sciis, kian mirindan aron da kantoj li posedas. Sen ia helpo de fortepiano, li kantis en itala, pola, franca, maŭra, araba kaj germana lingvoj, ĉiam kun kelkaj vortoj de klarigo, kaj ĉe kelkaj kun esperanta traduko, farita de li mem. Ŝajnas, ke S-ro Sprotte, kvankam nur juna homo, multe vojaĝis, kaj studis, inter aliajn aferojn, la kantojn de la diversaj popoloj. La sekvintan vendredon li konsentis fari paroladon pri siaj vojaĝoj. La rakonto estis plena de tre amuzaj anekdotoj, kaj pri liaj renkontiĝoj kun ĉiulandaj Esperantistoj. Krom lingvisto, S-ro Sprotte estas evidente ankaŭ antropologo, kaj entute ĉiuj tre guis lian instruan parolon. Ĉiuj — ĉar li parolis tiel bele, ke ĉiu persono en la ĉambro povis kompreni ĉiun vorton, kaj lia stilo, eĉ ĉe flua parolado, estis klasika.
Sprotte in Bagdad
Offensichtlich kam er schon bald in Bagdad an, denn Carlo Bourlet erwähnt ihn in einem Brief, der vom 12. Dezember 1911 datiert ist (La Revuo, 1911, Seite 248)
Esperanto ĉie kreskadas kaj floradas. De Bagdad mia ainiko SPROTTE sendis al mi belan leter0n pri la rimarkindaj sukcesoj de sia agado esperanta. Mi —pli longe reparolos pri lio en mia venonta Babilado. Antaŭen, kurage, amikoj
Später geht Bourlet näher (La Revuo, 1911, Seite 338) auf die Aktivitäten von Sprotte in Bagdad ein. Der selbe Text wurde in “The British Esperantist” 1911 Seite 230 mit Datum von 30. September 1911 veröffentlicht. Dabei wird Sprotte als “nia vojaĝema amiko” mit dem Spitznamen “La Longulo” als Absender genannt und festgestellt, daß er sich endgültig in Bagdad niedergelassen habe.
Er hat einen Esperanto-Klub mit 50 Jugendlichen aus verschiedenen Nationen gegründet. Da es in Bagdad (im Osmanischen Reich) nicht einfach ist Literatur aus Europa zu bekommen, bittet er um Bücherspenden (auch in Nationalsprachen) für den Aufbau einer Bibliothek. Die Ausleihgebühren sollen allein Esperanto zugute kommen.
Bourlet lobt den pfiffigen Plan von Sprotte, in einem Land ohne Zugang zu Literatur die Möglichkeiten von Esperanto in der Bildung zur Anwendung zu bringen. Ungeachtet der Tatsache, dass es laut Sprotte keine einzige Buchhandlung gab, galt Bagdad damals als multikulturelle Stadt mit einer grossen jüdischen Gemeinde.
Die Bitte um Zusendung von Esperanto-Material und fremdsprachige Literatur für eine öffentliche Bibliothek wurde auch 1912 von der Zeitschrift »Rund um die Welt« veröffentlicht.
Aktivitäten in Badgad
Germana Esperantist 1912 Seite 74
Auch in Deutschland wird über seine Aktivitäten wohlwollend berichtet. An der “Ĥaldea” (Direktor Mansor Kyriakos) haben alle Lehrer Esperanto gelernt und die “Hebrea Unuiĝo Otomana” hat Esperanto als offizielle Sprachen angenommen.
Das Sprachinsitut “Dar el Alsine”
Das wird von The Esperanto Monthly 1913 bestätigt, wo es heisst, dass ein Herr Leor 1911 die Sprachschule »Dar-el-Alsine« gegründet hätte. Es ist plausibel, daß er Sprotte engagiert hat.
We are in receipt of a letter from S-ro Leor, of Bagdad, Turkey, giving a most interesting history of the Esperanto movement in his country.
Herr Raoul Léor war Delegito von U.E.A. für Bagdad und ist 1914 mit der Adresse Sejd Sultan Ali,1 als Schriftsteller verzeichnet.
In 1911 S-ro Leor founded the Language Institute, Dar-el-Alsine, in which a course in Esperanto was also taught. Two of the members later founded a “Section for the Study and Propagation of Esperanto” in the Bagdad Ottoman-Hebrew Union, and under the direction of Rev. Father Mansor Kyriakos the entire body of professors in the Chaldean School have become Esperantists and fervent propagandists.
Notwithstanding the recent wars’ which have caused a cessation of activity among many of the Esperantists in the East, S-ro Leor, the chief support of the Esperanto movement in Mesopotamia, has energetically continued his labors, making it the aim of his firm, Maison Esperanto, to promote business in Bagdad through Esperanto. He invites all readers of The Esperanto Monthly to correspond with him by illustrated postcards and promises to reply to all inquiries relative to Bagdad and Persia, whether about Esperanto, business, or other subjects.
His firm makes the following announcement : — Maison Esperanto Import — Bagdad — Arabujo, serĉas taŭgajn rilatojn kun amerikaj kaj alilandaj firmoj, por jenaj komercajoj : — Horloĝoj, papero, petrol motoroj, petrol-gas-kuiriloj, manmoveblaj aparatoj por farado de sodakvo kaj de fruktglacio, malkaraj skribmasinoj, kai similajoj.
Auch im fernen Orient wurde der Nutzen von Esperanto für den Handel gesehen. Das Maison Esperanto Import — Bagdad — Arabien suchte zuverlässige Partner für den Import von Uhren, Papier, Petroleummotoren und -kocher, sowei handbetätigte Apparate für die Herstellung von Sodawasser und Fruchteis, billige Schreibmaschinen und ähnliches.
Ein ähnlicher Aufruf in der »Revuo Esperanto« von 1913 enthielt eine umfangreiche Liste der Waren, für die es in Bagdad einen Bedarf gab:
sukero, papero, armiloj, fajenco, malkara fenestra vitro, emajlaĵoj, malkaraj bicikloj, kotonaĵoj, silkaĵoj, pluŝoj, stano, konservaj manĝaĵoj, brulalkoholo, tendoj, kovriloj, ŝtofoj, ĉemizoj, trikotaĵoj, kravatoj, ŝelkoj, ŝtrumpoj, poŝtukoj, ĉampano, vinoj, bieroj kaj likvoroj, petrolgas-kuiriloj, petrolmotoroj, kudriloj, fadenaĵoj, butonoj, malkaraj puntoj kaj rubandoj, alumetoj, sapoj, parfumaĵoj, malkaraj horloĝoj arĝentaj kaj alimetalaj, skribmaŝinoj (se eble por araba kaj turka lingvoj)
Das reichte von Zucker, Waffen und Fensterglas über Brennspiritus und Textilien aller Art, Schneidereibedarf bis zu billigen Uhren und Schreibmaschinen (wenn möglich auf Türkisch oder Arabisch), aber auch Champagner, Weine und Biere.
Überraschender Besuch in Berlin
Mitten im Ersten Weltkrieg tauchte er wieder in Berlin auf und erzählte bei verschiedenen Gruppentreffen von seinen Erlebnissen in Bagdad.
Germana Esperantist 1912 Seite 65
Bei einem Gruppentreffen am 2. Juli 1918 sang er arabische Lieder und erzählte von seinen Erlebnissen. Er hat auch beim nächsten Treffen am 6. August teilgenommen und erzählte orientalische Anekdoten. Am 3. September würde er nochmal dabei sein, danach wollte er wieder in den Orient zurückkehren.
Im »Germana Esperantisto« vom Dezember 1918 wird unter den Gruppennachrichten vermerkt, dass der Oberlehrer Sprotte verabschiedet wurde, weil er wieder nach Bagdad zurückgehen würde.
Berlin — E-Gruparo. La 13. IX. okazis en „Rothes Haus“, Nollendorfplatz 3, tre bonvizitata adiaŭa kunveno. S-ro supera instruistro Sprotte, reironte Bagdad’on, parolis i. a. pri sia E-istigo. Ankaŭ s-ro Döring, P de la Königsberga Grupo, ĉeestis kaj faris E-paroIadon. S-ro Wagenführ varbis adeptojn por la nove fondita „Frybund“ estiĝinta per la iniciato de nia fervora samideano Dro Kliemke, aŭtoro de „Fürsten ohne Krone“. La propono estis aprobe akceptata, kaj s-ro Dro Rumpel iĝis P.
Die Rückkehr nach Bagdad dürfte reines Wunschdenken gewesen sein, denn die Briten hatten den Irak 1917 besetzt und waren nicht gewillt den Landweg nach Indien wieder herzugeben. Zumal in der Gegend von Mossul Erdöl gefunden wurde.
So musste Sprotte in Berlin bleiben, wo er 1920 einer Grippe erlag.